Die Gewinner der 10. ARD Hörspieltage 2013
PiNBall
Jahrestag auf Parkbank
Von Simon Kubat und Jonas Bolle
Regie: die Autoren
Begründung der Jury:
„Jahrestag auf Parkbank“ von Simon Kubat und Jonas Bolle ist ein formal eigenständiges und ungewöhnliches Hörspiel. Erzählt wird die Geschichte zweier Freunde, die sich einmal im Jahr auf einer Parkbank treffen, um zu reden, sich auszutauschen. Das Überraschende ist die gewählte bekannte musikalische Form: das Gespräch wird zum Sprechgesang, zum Rapsong-Gesang, zum Rap. Es gehört Wagnis dazu, sich eines Stilmittels zu bedienen, das seit mehr als 20 Jahren effektreich erprobt ist. Hier jedoch ist nichts übertrieben oder manieriert eingesetzt: die Rhymes sind virtuos, Stimme und Intonation passen, die chorischen Passagen kommen deckungsgleich und sinnig, die atmosphärischen Elemente sind gleichberechtigt und klug gesetzt, das Timing stimmt.
Es entstehen sprachkräftige und zugleich einprägsame Bilder aus Stimmung und Reflexion – über alles, was junge Menschen bewegt und beschäftigt, denen Chancenfülle propagiert wird in einer Welt, in der scheinbar jedem alle Wege offen stehen. Junge Menschen, die durch Angebotsfülle und Nachfragekette in Krise geraten, in innerem Druck verharren, sich blockieren, Schwermut gegenüber ihrer Umwelt empfinden.
Die Musik ist Ausdruck dieses Lebensgefühls, auch von Lebensalter, aber nicht von Coolness. Es ist Mut zum Pathos vorhanden, das sich mitunter in den Kitsch vorwagt, und doch behält der Text durchgehend hohe poetische Kraft, wirkt authentisch, bildet Lebens- und Empfindungswirklichkeit der jungen Protagonisten ab. Die Figuren ähneln einander, altern im Laufe des Hörspiels; das Hauptthema bleibt die Suche nach dem Erkennen und Bewahren des Eigenen im Getriebe der Welt, fragt nach Möglichkeiten, sich einen Ausweg zu bahnen, sich von Fesseln zu lösen, gegen Verlorenheit und Verunsicherung anzugehen.
„Jahrestag auf Parkbank“ ist die interessanteste Arbeit des diesjährigen Wettbewerbs, von einem Duo, von dem sicher viel zu erwarten ist. Technisch und formal ist dieses Wort-Musikstück für eine Erstlingsarbeit außerordentlich gut gelungen und stellt für das Hörspiel-Genre eine interessante Bereicherung dar.
Jury: Stephanie Metzger (BR), Barbara Gerland (D-Kultur), Peter Liermann (HR), Heike Maybach (HR), Felix Witthöft (HR), Nicole Standtke (MDR), Henning Rademacher (NDR), Holger Rink (RB), Juliane Schmidt (RBB), Stefan Dutt (SR), Katrin Zipse (SWR), Michael Becker (WDR), Achim Heidenreich (Rihm-Archiv, HfG Karlsruhe), Ludger Brümmer (Institut für Musik und Akustik, ZKM).
Nominiert waren außerdem:
- Krifutz von Gregor Bartsch
- Das Stocken der Welt von Carsten Brandau
- Auf hohem Niveau bewegen sich die Schäden von Kerstin Putz
- Ich mach’s kurz: berufstätig von Jan Frederik Vogt
ARD-Online-Award (Publikumspreis)
Heidi Heimat
von Robert Schoen (Mitarbeit: Ricarda Franzen)
Regie: der Autor
(HR, gefördert von der Film- und Medienstiftung NRW)
Kritik hier.
Gewonnen mit 51 % der abgegebenen Stimmen!
Deutscher Hörspielpreis der ARD (Jurypreis)
Der Kauf
von Paul Plamper
Regie: der Autor
(WDR/BR/DLF/Schauspiel Köln, gefördert von der Film- und Medienstiftung NRW)
Kritik hier.
Die Begründung der Jury:
In Paul Plampers Hörspiel „Der Kauf“ streiten zwei Paare um eine Immobilie vom Feinsten – um eine Dachterrassenwohnung mit unverbaubarem Fernblick auf die Kölner Innenstadt, Dom inklusive. Der Kampf um sie fördert in diesen scheinbar so zivilisierten Mittvierzigern Eigenschaften zutage, die sie bis dato nur bei anderen wahrnahmen und eigentlich für verachtenswert halten: Gier, Neid, Intrigenlust, Bösartigkeit. Nach und nach vergiften sie ihr Denken, Empfinden und Handeln.
Paul Plamper erzählt die Geschichte rückwärts – von einem letzten Maklertermin im inzwischen gentrifizierten Viertel bis zur Erinnerung an den Urzustand der früheren Stadtbrache, aus dem zwei Jahrzehnte zuvor der Traum einer gelingenden Urbanität erwuchs. Britta und Achim gegen Dirk und Claire: Was als unverbindliches Gedankenspiel um einen möglichen Verkauf der Wohnung beginnt, endet im rücksichtslosen Kleinkrieg um deren Besitz.
Dass Plampers klar konstruierte Szenen so klingen wie das Leben selbst, liegt an der dramaturgischen wie technischen Raffinesse der Dialogführung – und nicht zuletzt an den großartigen Sprechern: an erster Stelle Milan Peschel als nassforscher Heimwerker Achim, dem Cristin König als Britta, Sandra Hüller als Claire und Jan Henrik Stahlberg als Dirk nicht nachstehen.
„Der Kauf“ führt mitten hinein ins Seelenleben der Mittelschicht. Effektvoll und situationskomisch handelt das exzellente Hörspiel von Glücksverlangen, Traumerfüllung und lange unterdrückten Macht- und Bemächtigungsphantasien. Entstanden ist eine Parabel über den Verrat der ökologischen Utopie an den ökonomischen Profit. Opfer des Immobilienkriegs wird am Ende auch das Symbol einer naturnahen Gentrifizierung: der Knöterich, der im ganz Viertel als „grüner Wasserfall“ galt.
Jury: Jochen Hieber, Journalist FAZ (Vorsitz); Jens Bisky, Jorunalist, SZ; Katrin Lange, Literaturwissenschaftlerin, Literaturhaus München; Sigrid Löffler, Publizistin und Kritikerin; Sandra Naumann, Medienwissenschaftlerin und Kuratorin.
Die „Top 3“-Liste die Jury in alphabetischer Reihenfolge:
- Der Kauf von Paul Plamper (WDR/BR/DLF/Schauspiel Köln)
- Fügung von John Burnside (SWR)
- Traumrollen von Jean Claude Kuner (DLF/HR)
Die Nominierten für ARD-Online-Award und Deutschen Hörspielpreis der ARD:
- Die Quellen sprechen von Katarina Agathos / Michael Farin (BR)
- Traumrollen von Jean Claude Kuner (DLF/HR)
- Heidi Heimat von Robert Schoen (HR)
- Harper Regan von Simon Stephens (MDR)
- Geister in Princeton von Daniel Kehlmann (NDR)
- Unheimliche Orte von Tina Klopp (RB)
- Der Weltknoten von Ronald Steckel (RBB)
- Die verbotene Welt von Frank Naumann (SR)
- Fügung von John Burnside (SWR)
- Der Kauf von Paul Plamper (WDR/BR/DLF/Schauspiel Köln)
Deutscher Kinderhörspielpreis
Die Märchentherapie
von Max Urlacher (Mitarbeit: Angela Lucke)
Regie: Angeli Backhaus
Komposition: Rainer Quade
(WDR)
Begründung der Jury:
Der Bazillus der politischen Korrektheit hat zahlreiche Bereiche unseres Lebens erfasst, in Max Urlachers zweiteiligem Kinderhörspiel trifft er sogar Märchenfiguren. Diese müssen sich wegen schlechten Benehmens einer Therapie unterziehen, mitsamt Resozialisierung in der Menschenwelt. Das ist die satirische Ausgangsidee in Urlachers Stück, aus der der Autor eine ebenso turbulente wie stimmige Geschichte entspinnt. ‚Die Märchentherapie‘ versammelt altbekannte Figuren wie das Rumpelstilzchen und die böse Hexe, ist aber immer dem Zeitgeist und einer Gesellschaft im Anpassungs- und Therapiewahn auf der Spur. Die Regisseurin Angeli Backhausen gestaltet das Stück mit den Kompositionen von Rainer Quade zu einem opulenten Hörvergnügen, das Komik und Tempo des Textes einfallsreich ins akustische Medium überträgt.
Jury: Frank Olbert, (stellvertretende Feuilletonchef Kölner Stadt-Anzeiger), Kerstin Behrens (Dramaturgin und Autorin), Eva-Maria Lenz (Journalistin), Karin Lorenz (Produzentin und Autorin), Hermann Schulz (Autor).
Die „Top 5“-Liste die Jury in alphabetischer Reihenfolge:
- Der Rächtschraipkönich von Peter Jacobi (hr), Einreichung hr
- Held Baltus von Lutz Hübner (DKultur), Einreichung des Autors
- Leon und Leonie von Thilo Reffert (SWR), Einreichung SWR
- Märchentherapie von Max Urlacher (WDR), Einreichung des Autors
- Schlafen Fische? von Jens Raschke (DKultur), Einreichung DKultur
Kinderhörspielpreis der Stadt Karlsruhe
Der Rechtschraipkönich
von Peter Jacobi
Regie: Hans Helge Ott
(HR/NDR)
Begründung der Kinderjury:
„Der Rechtschraipkönich“ ist eine Schulgeschichte, eine Freundschaftsgeschichte, ein Krimi und eine Zirkusgeschichte zugleich. Mit viel Humor und Wortwitz wird vorgeführt, dass Fehler etwas Einzigartiges sind: Man muss sie nicht verstecken! Und aus Wortgefängnissen kann man ausbrechen, wenn man nicht auf den Mund gefallen ist. Diese Geschichte ist sehr witzig. Dazu bilden Geräusche, Musik und gute Sprecher eine tolle Mischung, bei der alles passt.
Schreibe einen Kommentar