Hörspiel des Jahres 2020

Özlem Özgül Dündar

Özlem Özgül Dündar. Bild: Dincer Gücyeter.

Aus der zwölf Hörspielen des Monats hat die Deutschen Akademie der Darstellenden Künste (DADK) türken, feuer von Özlem Özgül Dündar zum Hörspiel des Jahres 2020 gewählt. Das Stück ist noch bis 18. April 2021 nachhörbar). Regie bei dieser Produktion des Westdeutschens Rundfunks (WDR) führte Claudia Johanna Leist, die Komposition stammte von Schneider TM, die Dramaturgie hatte Gerrit Booms. Das 54-minütige Stück wurde am 18. April auf WDR 3 urgesendet und wurde von der dreiköpfigen Jury zum Hörspiel des Montas April gewählt.

Am 29. Mai 1993 kommen in Solingen fünf Menschen türkischer Abstammung bei einem Brandanschlag ums Leben. Eine von ihnen ist Gürsün İnce, die sich für ihre dreijährige Tochter opfert, als sie mit ihr aus dem Fenster springt. Das Hörspiel gibt ihr eine Stimme. Ihr und weiteren Frauen: die Mutter eines mutmaßlichen Täters, eine zweite Tote und eine Überlebende, sie alle kreisen in Gedanken um die Katastrophe und das Leben mit dem Schmerz. Der Fenstersprung, die Angst vor dem Feuer und das Schweigen, bis die Polizei eintrifft: Die Frauen bleiben in ihrem Erleben gefangen und suchen trotzdem nach Austausch, Begegnung und der Möglichkeit eines Gesprächs. Özlem Özgül Dündar hat die Geschehnisse von 1993 literarisch aufgearbeitet. Schonungslos, bildgewaltig und hochemotional.

Die Schriftstellerin Özlem Özgül Dündar wurde 1983 in Solingen geboren, lebt in Leipzig und Solingen, studierte Literatur und Philosophie in Wuppertal und anschließend am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Sie schreibt Lyrik, Prosa und Theaterstücke und ist als Übersetzerin und Herausgeberin tätig.

Auf der Website der DADK ist ein 43-minütiger Podcast der Preisverleigung mit einem akustischen Jahresrückblick der Hörspiele des Monats 2020 sowie Gesprächen mit der Jury (Anna Steinbauer, Lisa Katharina Förster und Gerald Fiebig), sowie mit der Autorin und Preisträgerin Özlem Özgül Dündar, und dem Team des WDR Gerrit Booms und Claudia Johanna Leist zu hören. Grußworte sprechen Barbara Schäfer (DLF) und Katarina Agathos (BR). Konzept und Moderation: Thomas Böhm.

Das Hörspiel des Jahres ist erstmals mit 2.500 Euro dotiert, denn Christoph Buggert, der mit seinem Hörspel „Einsteins Zunge. Aus dem Nachlass meines Bruders“ mit dem Deutschen Hörspielpreis der ARD 2020 ausgezeichnet wurde, hat die Hälfte seines Preisgeldes für das Hörspiel des Jahres gestiftet.

In Ergänzung zu ihrer Monatsbegründung schreibt die Jury:

„türken, feuer“ von Özlem Özgül Dündar konfrontiert sein Publikum eindringlich mit der grauenvollen Realität rassistischer Gewalt in Deutschland – und ist zugleich Einladung zum gesellschaftlichen Dialog. Zu Wort kommen, in literarisch verdichteter Form, die Opfer des fremdenfeindlichen Brandanschlags von Solingen am 29. Mai 1993. Das Stück verhandelt eines der brisantesten politisch-sozialen Probleme auf hohem künstlerischem Niveau. Dabei lässt es diejenigen zu Wort kommen, die zu diesem Thema viel zu wenig gehört werden: migrantische und weibliche Stimmen. Damit leistet „türken, feuer“ einen wegweisenden Beitrag zu einer Kulturlandschaft, die der Diversität der deutschen Gesellschaft gerecht wird, wie auch zur politischen Bildung.

Die Jury 2020: Lisa-Katharina Förster, Programmreferentin in der Monacensia im Hildebrandhaus, München. Anna Steinbauer, Kulturjournalistin, Autorin und Redakteurin, München. Gerald Fiebig, Audiokünstler, Lyriker und Leiter des Kulturhauses abraxas in Augsburg. Gastgebender Sender 2020 war der Bayerischer Rundfunk.

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