Hör!Spiel! in der Alten Schmiede in Wien 6.-16.3.23

Hör!Spiel!

6./7./12./13./14./16.3.2023

»Es ist schön, eine Weile einfach nichts anderes zu sein als ein Ohr« (Ror Wolf). Einladung, ganz Ohr zu sein, sind die fünf Abende und ein Nachmittag des Festivals Hör!Spiel!: Ror Wolfs Gattungsentwurf zwischen Szenencollage, Fußball-O-Tönen und »Radio-Ballade« steht im Zentrum eines zweiteiligen Porträts (12./13.3.). Die Dynamik von Mehrsprachigkeit in Lautpoesie und Spoken Word wird hörbar, wenn Jörg Piringer Lily Greenham porträtiert, Elke Schipper ihr lautpoetisches Programm parole präsentiert, und ebenso in Heike Fiedlers Performance Tu es! hier, der sie ein Porträt von Franz Mon als Lautdichter voranstellt (Laut & Sprachen, 6./7.3.). Mit Identitätsformationen setzen sich Amir Gudarzi, Nika Judith Pfeifer und Bruno Pisek in einem Live-Hörstück auseinander (14.3.). Andreas Jungwirth spricht mit Helmut Peschina über seine radiophonen Kammerspiele (16.3.).
Annalena Stabauer (Konzept, Moderation, Texte)

Programmflyer als PDF hier.

Alte Schmiede Kunstverein Wien, Schönlaterngasse 9, 1010 Wien, Eintritt frei.

Montag, 6.3. Laut & Sprachen I:

19.00 // DICHTER HÖRT DICHTERIN

Jörg Piringer über Lily Greenham

Lily Greenham (*1924 in Wien) trat in den 1950er Jahren mit Lautgedichten hervor. lingual music nannte sie ihre polyglotten elektronischen Kompositionen ab den 1970er Jahren, die Sprachspiel mit -analyse und Gesellschaftskritik verbinden. Jörg Piringer schreibt: »Lily Greenhams elektronische Lautpoesie sowie akustische Konstellationen können dem Vergleich mit aktuellen Stücken mehr als standhalten. Ihre Polylingualität setzte sie auch als Interpretin der Sprachexperimente ihrer Kolleginnen und Kollegen ein. Als bildende Künstlerin war sie u.a. eine Pionierin der digitalen Kunst und generierte mit damals brandneuen Homecomputern abstrakte Bilder.«

Lily Greenham, lebte zunächst in Kopenhagen, ab 1953 Musikstudien in Wien, Kontakt zur ›Wiener Gruppe‹; ab 1964 Malerei-Studium in Paris, ab 1972 bis zu ihrem Tod 2001 in London. 1983 Teilnahme an Autorenprojekt von Gerhard Jaschke/Alte Schmiede. Publikationen (u.a.): internationale sprachexperimente der 50er/60er jahre (Vinyl, 1970); tune in to reality! Gedichte (1974); lingual music (CD, 2007).

Jörg Piringer, *1974; Autor, Musiker, Programmierer. Sound Poetry, digitale Kunst. Mitglied des Instituts für Transakustische Forschung und des Gemüseorchesters. Zuletzt (u.a.): darkvoice (CD, 2019).

20.00 // PERFORMANCE

Elke Schipper: parole

Elke Schipper Stimme, Michael Griener Percussion

Im Rückgriff auf Ferdinand de Saussures Begriff »parole« für das Ereignis des individuellen Sprechakts zeigt Elke Schipper in ihrer Lautpoesie, wie atomisierte Sprache zwischen einzelnen Sprachsystemen flottieren und diese unterwandern kann. Sie schreibt: »Anliegen meiner Arbeit ist das Freisetzen der – subkutanen – klanglichen, rhythmischen und dynamischen Energien von Sprache. Sie als Rede tätig werden zu lassen im Aufdecken, Verstärken und Verselbständigen dessen, was als sprachliche Wirklichkeit vor dem Wort, in ihm und durch es hindurch hörbar wird.«

Elke Schipper schreibt, konzipiert und komponiert Lautpoesie, die sie solo und in Zusammenarbeit mit Musiker*innen aufführt; Vokalistin im Bereich freier Improvisation, Ausstellungen ihrer visuellen Poesie »contrescripts«; dokumentiert auf einem Dutzend CDs/DVDs. Sie lebt bei Hannover.

Michael Griener profiliert sich seit 30 Jahren als Berliner Schlagzeuger im Bereich zwischen Jazz und freier Improvisation, u.a. mit Günter Christmann; Lehrtätigkeit an der Musikhochschule Dresden; internationale Konzertreisen, zahlreiche CD-Einspielungen.


Dienstag, 7.3
Laut & Sprachen II:

19.00 // DICHTERIN HÖRT DICHTER

Heike Fiedler über Franz Mon

Die Lautpoesie von Franz Mon ist ein Sprachwerk der »Artikulationen«, ein Feuerwerk unserer Lautproduktionsorgane. Ein Blick auf diesen Aspekt bedeutet ebenso das Einbeziehen seiner vielseitigen Auseinandersetzung mit dem Konstrukt Sprache in all ihren Dimensionen, den stets mitschwingenden Bedeutungen kleinster (F)einheiten. Sie ist untrennbar von seinen Hörspielen und – nicht paradoxerweise – auch von Schrift.
H. Fiedler

Franz Mon (1926–2022), visuelle Poesie, Grafiken, Lautpoesie, Hörspiele, Gedichte, Essays, theoretische Schriften. 1959 erstes Buch artikulationen. Viele Jahre Lehrtätigkeit im Bereich Grafik/Design. Lautpoesie auf Tonträger (u.a.): Stimmen Lauter Stimmen (2013).

20.00 // PERFORMANCE

Heike Fiedler: Tu es! hier

Gedichte und Sprechtexte. edition spoken script/Der gesunde Menschenversand
Heike Fiedler Stimme, Live-Elektronik, Visuals

Heike Fiedlers Performance-Poesie kann sich plurimedial auf Bühnen und auf Papier ereignen. Sie reflektiert und inszeniert, wie im Sprechen Bedeutung entsteht, sich durch minimale Abwandlung verändern und wieder auflösen lässt. »Ein zentrales Anliegen der Poetik Heike Fiedlers ist die Simultaneität der verschiedenen Sprachen in der alltäglichen wie der poetischen Verwendung«, schrieb Franz Mon.

Heike Fiedler, *1963, lebt in Genf. Audiovisuelle Performances, Installationen, Interventionen im öffentlichen Raum; forscht zu performance writing. Hörstück phonetica helvetica zur realen Sprachenvielfalt in der Schweiz, in Afrika usw. Bücher (u.a.): langues de meehr (2010). realtimepoem.com

 

12.3. & 13.3.2023

»… nichts anderes zu sein als ein Ohr.«
Ror Wolfs Radiophilie

Ror Wolf veröffentlichte neben Hörspielen Romane, unterschiedlichste Kurzprosa, Bildcollagen sowie Gedichte und sagte dennoch einmal von sich, er sei »möglicherweise« kein Buchautor, »sondern ein Hörspielautor, der sich gelegentlich mit einem Buch bemerkbar macht«. Im Hörspiel sah er sich auf »Forschungsreise in das unerhörte Gebiet der Töne, Stimmen und Geräusche« und notierte in seinen Manuskripten präzise Qualität, Einsatz und Funktion akustischer Ereignisse. Als Monteur seiner O-Ton-Hörspiele wie als Redakteur kannte er das Radio von innen. Vieles verbindet Ror Wolfs Hörspiele mit dem Gesamtwerk: die Collage-Ästhetik, fantastische Szenerien, groteske Komik, das Spiel mit Fiktion. Worin aber liegt ihre radiophone Spezifik? Ein zweiteiliges Porträt setzt sich auf die Spur von Ror Wolfs Radiophilie.

Ror Wolf (1932–2020), 1964 Debütroman Fortsetzung des Berichts, 1969 Beginn der Hörspielarbeit. Hörspielpreis der Kriegsblinden, Günter-Eich-Preis für das Hörspiel-Lebenswerk (u.a.). Ror Wolf Werke (2009ff). wirklichkeitsfabrik.de

FALKNER, *1970; Autorin, Performancekünstlerin, Hörspielregisseurin; promovierte über ›Verbale Konstrukte‹. Arbeitsschwerpunkt dzt.: das Hörspiel – jüngst: Manifest 59 / Flächenmensch Flächenmensch die Festung Welt (ORF 2023).

Daniel Wisser, *1971; Lyrik, Prosa, radiophone Werke – zuletzt: Die erfundene Frau. Erzählungen; Die Vitaminlüge. Hörspiel (beide 2022). Mitbegründer des Ersten Wiener Heimorgelorchesters (jüngst die CD anderwo).

 

Sonntag, 12.3.23

14.00 // VORSPIEL ROR WOLF

Ror Wolf: Der Chinese am Fenster
Regie: Raoul Wolfgang Schnell. WDR/HR 1971, 44 Min.

Cordoba, Juni 13 Uhr 45
Regie: Ror Wolf. HR 1979, 43 Min.

Leben und Tod des Kornettisten Bix Beiderbecke aus Nord-Amerika
Eine Radio-Ballade. Regie: Heinz Hostnig,. SWF/HR/NDR/WDR 1986, 72 Min.

Die Durchquerung der Tiefe in dreizehn dunklen Kapiteln
Eine Radio-Reise in zwei Teilen. Regie: Hermann Naber, SWF/DLR/HR 1997, 109 Min.

 

Montag, 13.3.23

19.00 // PORTRÄT ROR WOLF

Daniel Wisser: Vom Kupferberg ins Schnitzelgebirge
Die Hörspiele. Kommentar mit Hörproben

FALKNER: Sprechweisen beim Wort nehmen
Die Fußballhörspiele. Kommentar mit Hörproben

 

Dienstag, 14.3.23

19.00 // HÖR!SPIEL!

Umformen. Grenzen. Umspielen.
Drei. Keine. Einheit.

Live-Hörstück von und mit Amir Gudarzi, Nika Judith Pfeifer, Bruno Pisek

Wie Sprache Identität/en schafft oder die Haut identitätsschaffend ist und das Denken identitätskonstruierend arbeitet und um welche Form von Identitäten es sich denn eigentlich handeln kann, darüber tauschen sich Amir Gudarzi, Nika Judith Pfeifer und Bruno Pisek vor Publikum aus. Gemeinsam versuchen sie etwas aufzudecken, das über den engeren sprachlichen Ausdruck hinausgeht, indem sie Berührungspunkte zwischen ihren Positionen schaffen. Hörspielerisch und mit Einbezug des Bühnenraums verweisen sie auf ein anderes Wir.
A. Gudarzi/N. J. Pfeifer/B. Pisek

Das Hörstück entstand im Rahmen von mitSprache 2023: WIR. INKLUSIV. EXKLUSIV.

Amir Gudarzi, *1986; Dramatiker, Autor – jüngst: Am Anfang war die Waffe (UA Werk X, Wien 2022). Sein Debütroman Das Ende ist nah erscheint 2023.
Nika Judith Pfeifer, *1975; lebt in Wien, Brüssel und Berlin, schreibt Lyrik, Prosa, szenische Texte; Kunstprojekte. Zuletzt: NOKZIDENT. manual for poetic r/evolutionaries (2022).
Bruno Pisek, *1962; Autor, Komponist, Tonmeister. Zahlreiche Hörspiele, Literaturvideoclips, Textilarbeiten, Kurzfilme, Drehbücher. Zuletzt: Der Nebel reißt auf. Hörstück (2022).

 

Donnerstag, 16.3.23

19.00 // HÖR!SPIEL!

Hier gibt es kein Tonband
Die Originalhörspiele von Helmut Peschina

Gespräch mit Hörproben
Moderation: Andreas Jungwirth

»Hier gibt es kein Tonband«, heißt es in Helmut Peschinas erstem Hörspiel Fasselrutschen (ORF 1974). »Hier ist alles echt.« Für seine radiophonen Dramen, oftmals zwischen Paaren unterschiedlichster Konstellationen, lauschte er Worte und Sätze den Menschen auf der Straße oder im Wirtshaus ab. In den meisten Fällen brauchen diese Stücke keinen Erzähler, leben vom Dialog – ohne ein Wort zu viel und ohne ein Wort zu wenig. Viele Regisseure verzichteten auf Musik oder Sounds, vertrauten ganz auf die Sprache und auf das, was zwischen den Sätzen zu entdecken ist. So entstanden Sprach-Klang-Kunstwerke, die auch mehr als 40 Jahre später nichts an Prägnanz verloren haben.
A. Jungwirth

Helmut Peschina, *1942; Theater-, Hörspielautor, Bearbeiter von Romanvorlagen und antiken Stoffen für das Radio, jahrelanger Leiter der Hörspieltage. Zuletzt für das Radio: Elektra. Neubearbeitung nach Sophokles (ORF 2022).

Andreas Jungwirth, *1967; Hörspiel-, Theater-, Jugendbuch-, Romanautor, Hörspielregisseur. Zuletzt für das Radio: Fühl dich umarmt – Hörspiel nach Briefen (Co-Autor und Regie, ORF 2023).

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