Die drei Finalisten des 72. Hörspielpreises der Kriegsblinden 2023

In ihrer Sitzung am 4. Mai 2023 hat die 13-köpfige Jury der Hörspielpreises der Kriegsblinden, der von der Film- und Medienstiftung NRW und dem Deutschen Blinden- und Sehbehinderteverband (DBSV) getragen wird, aus den 22 nominierten Stücken die folgenden drei ins Finale gewählt: „Entgrenzgänger II“ von Robert Schoen, „K.I.T.A.“ von Antje Vauh und Carina Pesch sowie „Mixing Memory and Desire“ von Werner Fritsch. Der Preis wird am 15. August um 18 Uhr im Foyer des Deutschlandfunks in Köln verliehen.

Robert Schoen: Entgrenzgänger II  / Черкесский магазин (Tscherkesskij Magasin)
Regie: der Autor
Mit: Ida Arne, Irina Bondarenko, Albert Batschaev, Lorenz Eberle, Schuschanik Gregorian, Beslan Mischaev, Arthur Kaplan, Alan Kasajev, Bilal Kasarokov, Amayak Simonyan, Rustam Yusupov, Boris Kascharokov
Produktion: HR, gefördert durch das Grenzgänger-Programm der Robert Bosch Stiftung und das Literarischen Colloquiums Berlin
Redaktion: Cordula Huth
Urtsendung: hr 2, 13.11.2022
Länge: 79:23

Die Jury: Wer ist schuld? Wer begeht welche Verbrechen? Wer sagt die Wahrheit? Das sind die Fragen, die uns derzeit beschäftigen, wenn die Rede auf Russland kommt. Die Kunst hat dabei den enormen Vorteil, solcherart nachvollziehbare Fragen nicht zielstrebig beantworten zu müssen. Sie darf ihnen sogar scheinbar aus dem Weg gehen. Indem sie nämlich – wie Robert Schoen es tut – von einer Reise in einem kleinen, scheinbar abwegigen Teil Russlands erzählt. Von seinen unglaublich zugänglichen BewohnerInnen, ihrem Leben, ihren vielen Sprachen und Kulturen und dem alles verbindenden Thema Musik. Indem Schoen sich ganz dem Zufall überlässt – als Motor seiner Reise wie als ästhetisches Prinzip des Hörspiels – gelingt es ihm wunderbar spielerisch, das Unbekannte, Undeutliche, die Zwischenräume produktiv zu machen. Ohne je großspurig als „Westler“ aufzutreten, mäandert der Autor mit klug und bescheiden mit stets offenem Mikro durch Tscherkessk im Konfliktherd Nordkaukasus.
Seine Neugierde ist ansteckend und gern folgen wir ihm auf seinen Umwegen und Nebenwegen. Ganz nebenbei führt dieses Stück vor, dass Aufklärung durch Kunst durch das Gegenteil von Besserwisserei gelingt.

Antje Vauh und Carina Pesch: „K.I.T.A“ Das Menschenmögliche
Regie: Antje Vauh und Carina Pesch
Mit: Minou Edler, Janine Edler, Matthias Heß, Willi Bergmann, Sonja Bergmann, Smilla Bergmann, Elio Kaletta, Anton Andreew, Katrin Jaehne, Marie Wolff, August Geyler, Oliver Brod, Britta Steffenhagen, Teresa Schergaut, Fabian Busch, Puline Bittner, Alexis Krüger, Mats Hoffmann, Carina Pesch
Produktion: WDR / DLF Kultur
Redaktion: Gerrit Booms
Länge: 53:36
Ursendung: WDR 3, 22.05.2022

Die Jury: K.I.T.A. spielt den möglichen Einsatz von KI in Kinderbetreuung und Kindererziehung geistreich und vorurteilsfrei durch. Wobei der Clou dieser satirischen Erzählung darin besteht, dass sie die Erwartung durchbricht. Denn nicht etwa die Bots sind das Problem, weil sie das Böse in die Menschheit schleppen. Vielmehr sind es die überforderten und ambitionierten Eltern. Ein wichtiges Gedankespiel, das vom Autorinnenduo souverän und audiophon in immer neuen Wendungen durch variert wird. K.I.T.A. ist nah an der Wirklichkeit. Doch versinken wir nicht distanzlos in diesem Genremix aus SciFi, Mockumentary und Gesellschaftsportrait: Antje Vauh und Carina Pesch lassen gerade genug Platz für den analytischen Blick.

Werner Fritsch: Mixing Memory and Desire
Regie: Werner Fritsch
Musik: Werner Cee
Mit: Sylvester Groth, Nuri Singer, Werner Waas, Gerd Lohmeyer, Ilse Ritter, Angela Winkler, Christine Winter, Judith Fritsch, Johanna Fritsch, Rudolf Guckelsberger
Produktion: SWR
Dramaturgie und Redaktion: Manfred Hess
Länge: 77:01
Ursendung: SWR 2, 02.07.2022

Die Jury: Wie wird ein Mensch zu dem, was er / sie werden kann ? Was spielt in diesem Vorgang des Werdens nicht alles zusammen: die Natur (oder Stadt), die einen umfängt; die Menschen, die einen umgeben, ihre Stimmen, ihr Glauben, ihre Lieder und das, was sie erzählen und lesen oder nur vom Hörensagen kennen und weiterverbreiten. Auch die Zeitgeschichte spielt mit in diesem Schöpfungsprozess, der am Ende ein Ich hervorbringt. Werner Fritsch hat diesen amorphen Vorgang seines eigenen Werdens in einem sprachgewaltigen, vielstimmigen, vielfacettigen Hörspiel nachgeschaffen. Indem er den Radioraum mit sehr dichten, lebendigen, immer überraschenden und oft skurilen Szenen beschreibt, taucht Fritsch nicht nur in die eigene Erinnerung ab, er lässt auch das Zeitgefühl einer Kindheit in den Sechzigerjahre miterleben.

Die Jury des 72. Hörspielpreises der Kriegsblinden: Gaby Hartel (Kulturwissenschaftlerin, Vorsitzende der Jury), Thomas Irmer (Freier Journalist, u.a. Theater der Zeit), Kai Kortus (‚Math4VIP‘, Philipps-Universität-Marburg), Eva-Maria Lenz (Freie Journalistin, u.a. FAZ, epd), Nina Odenius (Agentur für Bildungsjournalismus), Dietrich Plückhahn (Stellv. Juryvorsitz, Jurist, Musiker), Diemut Ulrike Roether (Journalistin, epd medien), Siegfried Saerberg (Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie), Hans-Ulrich Wagner (Leibniz Institut für Medienforschung), Martin Weigert (Audio Engineer, Dipl. Musikpädagoge), Özge Yildiz (Studentin Kreatives Schreiben und Texten, SRH Berlin University Of Applied Sciences), Isabel Zürcher (Kritikerin, Lektorin und Publizistin), Jenni Zylka (Journalistin, Autorin und Moderatorin).

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