Kunst oder Dienstleistung? Hörspiel im Kulturradio
Am 9. November 2012 fand im Rahmen der ARD-Hörspieltage eine vom Bayerischen Rundfunk organisierte Podiumsdiskussion zum Thema Kunst oder Dienstleistung? Hörspiel im Kulturradio statt. Teilnehmer waren Tanja Dückers, Schriftstellerin und Publizistin, Leonhard Koppelmann, Hörspiel- und Theaterregisseur, Katarina Agathos, Chefdramaturgin, BR Hörspiel und Medienkunst. Gesprächsleitung: Jochen Meißner, Publizist, Hörspielkritiker. Leider saß niemand der harten „Dienstleistungsbefürworter“ auf dem Podium.
Hier das Eingangsstatement:
Wir wollen unter dem Titel „Kunst oder Dienstleistung?“ über das Hörspiel im Kulturradio reden. Ihnen als Kulturradio-Hörern wird aufgefallen sein, das irgendetwas an dem Titel merkwürdig ist. Der Kunstbegriff ist noch relativ unproblematisch – natürlich ist das Hörspiel Kunst. Was soll es denn sonst sein? Was eine Dienstleistung ist, weiß man auch: die Gebäudereinigung des Funkhauses beispielsweise. Das „oder“ ist das Merkwürdige. Handelt es sich vielleicht um ein ergänzendes „oder“? Dann wäre das Hörspiel Kunstwerk oder Produkt oder Ware oder eben Dienstleistung, je nachdem, in welcher Form man es betrachten, oder in welcher Form man das Werk eines Künstler (ab-)qualifizieren will.
Vielleicht handelt es sich aber auch um ein entgegensetzendes „oder“ – dann hieße es, dass das Hörspiel entweder Kunst oder Dienstleistung ist. Wohlgemerkt das Hörspiel selbst, nicht die Dramaturgen, Regisseure, Tontechniker und Schauspieler, die man, wenn man es so will, als Dienstleister bezeichnen könnte. Für das entgegensetzende „oder“ gibt es ein aktuelles Beispiel. Oliver Sturm ist nicht nur Hörspielregisseur und –autor, er betreibt auch einen Gebetomat. Das ist eine Kabine in den Ausmaßen eines Fotoautomaten, in dem man aber nicht fotografiert wird, sondern sich gut 320 Gebete in mehr als 60 Sprachen anhören kann. Gebetomaten, es gibt vier davon, standen schon an vielen Kulturinstitutionen – unter anderem im Karlsruher ZKM. In den Hamburger Bücherhallen wird keiner stehen, da die dortige Sektenbeauftragte Ursula Caberta Einspruch erhoben hat. Denn unter den 320 Gebeten gibt es auch eines der sich Kirche nennenden Scientology-Organisation.
Offenbar betrachtet die Sektenbeauftragte den Gebetomaten als schnöde Dienstleistungsmaschine. Wenn man sich also auf Seiten der Kunstproduzenten – und der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist immer noch der mit Abstand größte Produzent von Originalhörspielen – den Dienstleistungsschuh anziehen will, dann wird man mit der Freiheit der Kunst nicht mehr argumentieren können. Denn dann unterwirft man sich nicht nur der Logik der Märkte, sondern macht man sich zusätzlich noch zur Zielscheibe von Bedenkenträgern aller Art.
Aber möglicherweise ist dieser harte Kern des Dienstleistungsbegriff gar nicht gemeint, denn im Kulturradio ist man sensibel und man redet gerne in Metaphern. Vielleicht ist auch „Dienstleistung“ nur eine Metapher, damit man Ruhe hat vor den Beratungsfirmen, die die Entscheider in den Sendern gerne einladen, wenn es gilt Reformen durchzusetzen (und/oder die Belegschaft zu disziplinieren). Vielleicht ist der Begriff aber auch genauso gemeint wie eben skizziert.
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