Wirrwarr als Marke
Kleine Radiovorschau. 26. Oktober bis 1. November 2012
Hans Magnus Enzensbergers Buch »Album« von 2010 wirft als extrem bunte Mischung aus Überschriften, Aphorismen, Bildern und Merktafeln die Frage auf, wie es zu seiner Veröffentlichung kommen konnte. Man könnte aber auch sagen, der Autor hat aus der Not eine Tugend gemacht und Gedankenwirrwarr beharrlich in Schrift übertragen. Enzensbergers wichtige Rolle für das Suhrkamp-Branding (und umgekehrt) sorgte jedenfalls für mächtig Resonanz in den Feuilletons. Für die Hörspielumsetzung von »Album« (RB/DKultur) hat sich der Autor ins Tonstudio begeben, das Ergebnis ist erwartungsgemäß vielstimmig (Fr., 19.05 Uhr, Nordwestradio).
Gibt es beliebtere Krimischauplätze als Dörfer? In »Mariaschwarz« von Heinrich Steinfest, Stuttgart-21 Gegner aus Österreich, geht es um einen sagenumwobenen See. Inspektor Lukatschik entwirrt ein Netz aus Regionalmythen und verheddert sich darin. Die Koproduktion von SWR und ORF kommt am Freitag zur Ursendung (22.33 Uhr, SWR 2).
Dem antiken Mythos um den luciferischen, also lichtbringenden Prometheus ist Heiner Müllers und Heiner Goebbels Hörspiel »Die Befreiung des Prometheus« gewidmet (hr u. SWF 1985/ Fr., 23.05 Uhr, WDR 3).
Alles, was ein Krimi braucht, hat »Die unmögliche Leiche« von José Pablo Feinmann: hinkendes Mädchen mit Riesenmesser, verängstigte Frau, Vadim Glowna als Sprecher. Wiederholt wird das Stück auf dem etablierten WDR-5-Sendeplatz »Krimi am Samstag« (10.05 u. 23.05 Uhr). Der frühere Termin soll bald gestrichen werden. Offenbar sind destruktive Reformen, wie sie im Juni bei WDR 3 durchgeführt wurden, für alle WDR-Wellen »alternativlos«. Die Initiative für Kultur im Rundfunk (die-radioretter.de) wehrt sich und informiert auf ihrer Internetseite über aktuelle Entwicklungen.
Die honigsüße Reibeisenstimme von Sophie Rois ist in René Maxim Freunds Beziehungskomödie »Schluß mit André« (Sa., 14 Uhr, Ö1) zu hören, in der sich drei Frauen mit einem abwesenden Mann beschäftigen. Ilse Aichingers cineastisch inspirierte Autobiografie »Blitzlichter« (Sa., 15 Uhr, BR 2) hat Ulrich Lampen 2005 zum Hörspiel gemacht.
Drei Ursendungen seien noch erwähnt: Florian Zellers »Die Wahrheit oder Von den Vorteilen, sie zu verschweigen, und den Nachteilen, sie zu sagen« (So., 21.05 Uhr, NDR Info) erzählt von einer Dreiecksbeziehung mit einem ahnunglosen Gehörnten. In Magda Woitzucks Hörspiel »Glashaus« (Di., 21 Uhr, Ö1) geht es um ein Forschungslabor genialer Zwillinge. Aleksandr Vvedenskijs »Wann wo oder Eine gewisse Anzahl Gespräche« (Mi., 21.30 Uhr, hr 2) macht einen Abstecher ins Irrenhaus, das ja bekanntlich überall schnell hochgezogen werden kann.
junge Welt 26.10.2012, Rafik Will
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