Tief in der Nacht

 

Kleine Radiovorschau. 23. bis 29. November
Lokal denken und lokal handeln, scheint ein beliebtes Motto der ARD-Landesanstalten. Zeitgemäß wirkt das nicht gerade, aber es stabilisiert die Quoten. Und darum werden zum Beispiel Mundarthörspiele in großer Zahl hergestellt. Der MDR hat in dieser Sache über den eigenen Tellerrand geguckt und mit Radio Bremen das Hörspiel »So is dat Leven, Herr Schluck« von Werner Buhss produziert. Norddeutscher Dialekt bis zu Platt war bei der Ursendung am 11. November zu vernehmen. Aufhänger der Geschichte ist die Beerdigung von Gerhart Hauptmann 1946 auf der Insel Hiddensee . Den ansässigen Fischern, die als Sargträger für die Zeremonie gebraucht werden, ist der Schriftsteller, zumal als Leiche, »schietegal« (nächste Sendetermine i.d. laufenden Radiowoche: Fr 23.Nov, 19.05 Uhr, RB Nordwestradio/ Mi 28.Nov, 21.05 Uhr, NDR 1 90,3/ Do 29.Nov, 21.05 Uhr, NDR 1 Radio MV)

In der laufenden ARD-»Themenwoche Tod« kommen Krimis erstaunlich kurz. Zum Ausgleich seien hier Radioermittlungen empfohlen. Auf SWR 2 belastet heute, 22.03 Uhr, ein unbeabsichtigter Mord das Gewissen eines Bankräubers; Friedrich Anis »Der Gefangene« weckt Erinnerungen an den guten Raskolnikow. Wenig später bringt DLF im Mitternachtskrimi (Sa., 0.05 Uhr) »Der Feind aus alten Tagen« von Janwillem de Wetering über Spätfolgen von Sandkastenspielchen. WDR 5 geht am Samstag, 10.05 Uhr, der Frage nach, was ein Kriminalistikdozent macht, dessen Studenten nach und nach umgebracht werden (»Mord ist ein Kinderspiel« von Tauno Yliruusi).

In der DLF-Reihe »Gesichter Europas« geht es am Samstag, 11.05 Uhr, um Roma in Ungarn. Katrin Michaelsen moderiert. Die Reportagen stammen von Jan-Uwe Stahr. Über die ganz armen Leute berichtet die als Kinderbuchautorin bekanntgewordene Christine Nöstlinger in »Iba de gaunz oamen Leit«, das Ö1 am Samstag um 14 Uhr ursendet. Philippe Soupaults Stück »Die letzten Nächte von Paris« (Sa., 15.05 Uhr, BR 2) ist ein nächtlicher Streifzug durch die Stadt der Liebe. Es wimmelt von Prostituierten, auch die geheimnisvolle Georgette entpuppt sich als solche. »Es ist gerade die Banalität der Existenz, die den Erzähler nicht mehr losläßt und sich als das wahre Geheimnis offenbart.«

Wilhelm Raabes Erzählung »Zum wilden Mann« kann man als Statement gegen Kolonialismus lesen. Die Figur des Dom Agostin Agonista wird als Prototyp des menschenverachtenden Ehrenmannes vorgeführt. »Imperium« von Christian Kracht verklärt als Gegenstück den Kolonialismus zur lustig freakigen Unternehmung. Nichtsdestotrotz erhielt Kracht für »Imperium« am 4. November den Wilhelm-Raabe-Literaturpreis. Am Samstag, 20.05 Uhr, sendet DLF die Aufzeichnung der Verleihung. Zeitgleich bringt WDR 5 einen langen »Paul Temple«-Abend, denn Francis Durbridge feierte dieser Tage 100. Geburtstag, weshalb auch sein Krimi »Tief in der Nacht« gleich zweimal wiederholt wird (Sa., 21.05, NDR Info, Mo., 21.33, DKultur).

23.11.2012 junge Welt, Rafik Will

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