Konträrfaszination für einen Contrairian

Wie prägen radikale Ideologien das gegenwärtige Amerika? Der Erzählpodcast „Die Peter Thiel Story“ erzählt von kognitiven Dissonanzen und politischen Visionen – und folgt dabei der Logik einer Gruselgeschichte.

Fritz Espenlaub: Die Peter Thiel Story – Sechsteiliger Erzählpodcast

DLF, Do, 05.06.-10.07.2025, 20.30 bis 21.00 Uhr

DLF Podcast ab 28.5.2025

Irgendwie findet Fritz Espenlaub zu Beginn Peter Thiel, seines Zeichens Paypal-Mitgründer und früherer Facebook-Investor, der gerne provoziert und das Gegenteil von dem tut, was opportun erscheint, schon ein bisschen geil. „Ich glaube, ich hätte mich mit dem jungen Thiel ziemlich gut verstanden. Nur beim Schach hätte er mich wahrscheinlich abgezogen“, sagt Espenlaub, Host des sechsteiligen Erzählpodcast „Die Peter Thiel Story“. Die ersten beiden Folgen wurden am 28. Mai in der App des Deutschlandradios und in der ARD-Audiothek veröffentlicht. Im linearen Radio läuft die Serie donnerstags um 20.30 Uhr vom 5.6. bis 10.7.2025 auf dem Sendeplatz „Mikrokosmos“ imd Deutschlandfunk.

Schon die Gattungsbezeichnung „Erzählpodcast“ lässt aufhorchen. Denn verantwortlich zeichnen der Feature-Redakteur Wolfgang Schiller vom Deutschlandfunk in Köln und die Hörspieldramaturgin Christine Grimm von Deutschlandfunk Kultur in Berlin. Produziert wurde der Podcast von der Münchner Firma plotprodukt, die vorzugsweise Podcasts für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk entwickelt. So beispielsweise „Die Elon Musk Story“ für die WDR-Jugendwelle Eins Live aus dem Jahr 2023 oder in diesem Jahr „Das Imperium Heidi Klum“ für die ARD-Audiothek.

In der „Peter Thiel Story“ wird der Werdegang des 1967 in Deutschland geborenen Investors als die Geschichte eines sozial eher untalentierten Nerds erzählt, der schon mit zwölf Jahren besser Schach spielen konnte als alle in seiner Jahrgangsstufe. An der Uni in Stanford, die den Ruf genießt, die konservativste der amerikanischen Elite-Universitäten zu sein, gründete Thiel das Studentenmagazin „The Stanford Review“, aus dem sich seine Mitstreiter gegen jede Form der sogenannten „Political Correctness“ rekrutierten. Thiel studierte damals bei dem Theologen Wolfgang Palaver, der immer wieder im Podcast vorkommt. Neben dem Thiel-Biografen Max Chafkin ist er einer der wenigen Gesprächspartner, die persönlichen Kontakt zu Thiel hatten. Auch Investor Carsten Maschmeyer („Die Höhle der Löwen“) kommt als Thiel-Bewunderer kurz zu Wort.

Eher „Brisant“ als „Monitor“

In der zweiten Folge geht es um die Vermeidung von Tod und Steuern. Um den eigenen Tod hinauszuzögern, investiert Thiel in lebensverlängernde „Longevity“-Projekte. Sein Geld hat der Milliardär unter anderem in einem steuerfreien Rentenfonds geparkt und damit ein Schlupfloch ausgenutzt. Weil er befürchtete, dass eine demokratische Regierung diese Lücke schließen könnte, unterstützte er 2016 als einziger der Tech-Bros aus dem Silicon Valley den Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Nach dessen erstem Wahlsieg saß er deshalb neben ihm, als die Tech-Oligarchen Trump nacheinander ihre Aufwartung machten.

Ein erschütternder O-Ton. Die private Wahlparty am 8. November bei Thiels wird szenisch nacherzählt. Dabei klingt der Podcast einmal mehr eher nach „Brisant“ als nach „Monitor“. Was erzählt wird, ist immer eine Spur zu unterkomplex, und das elektronisch wabernde Sounddesign von Wolfgang Pérez drängt sich immer ein wenig zu weit in den Vordergrund. Wahrscheinlich bezeichnet das genau den Unterschied zwischen Radio- und Podcastqualität. Dazu gehört auch, dass man eine „This-can-be-done-attitude“ als „Challenge-accepted-Mentalität“ ins „Deutsche“ übersetzt.

Dass eine ganze Folge („Der Rächer“) dafür draufgeht, den von Thiel finanzierten Prozess des Wrestlers Hulk Hogan gegen das Klatschportal Gawker zu schildern, wäre nicht unbedingt nötig gewesen. Grund dafür war wohl, dass ein Journalist Jahre zuvor dort das offene Geheimnis um Thiels Homosexualität ausgeplaudert hatte. Stattdessen hätte man beispielsweise gerne mehr über Thiels überwachungskapitalistische Visionen mit seiner Firma Palantir gehört.

Peter Thiel als selbst ernannter Aufhalter

Auch eine ausführlichere Analyse der inkompatiblen und widersprüchlichen Denkwelten zwischen Katholizismus und Libertarismus, in denen sich Thiel bewegt, hätte dem Podcast gutgetan. Natürlich kommen die im amerikanisch-libertären Diskurs kaum zu überschätzende Ayn Rand (1905-1982, „The Fountainhead“) vor, ebenso wie der französische Religionsphilosoph René Girard (1923-2015, „Das Heilige und die Gewalt“) und der deutsche Staatsrechtler Carl Schmitt (1888-1985, „Der Führer schützt das Recht“), die Thiels Denken maßgeblich beeinflusst haben.

Aktuell ist auch der einflussreiche Blogger Curtis Yarvin (*1973) im O-Ton zu hören. In der letzten Podcastfolge „Der Antichrist“ entschuldigen sich die Autoren, neben Fritz Espenlaub sind das Jasmin Körber und Christian Schiffer unter der Regie von Klaus Uhrig, dafür, dass es doch jetzt etwas komplex werde, wenn es um die biblische Apokalypse, die letzte Schlacht Armageddon und das Konzept des Katechon (des Aufhalters) geht.

Thiel scheint sich gegenwärtig als Aufhalter des Antichristen zu sehen, dessen Versprechen „Frieden und Sicherheit“ seien. Damit folgt er einem politisch-theologischen Konzept, das Carl Schmitt in seinem Werk „Der Nomos der Erde“ ausgeführt hat. Dass sowohl Schmitt als auch Thiel eine kognitive Dissonanz gegenüber der Realität aufbauen müssen, um Freiheit gegen Demokratie und pluralistischen Liberalismus ausspielen zu können, wird im Podcast nicht weiter thematisiert. Stattdessen dominiert die Konträrfaszination, wie man sie auch einem James-Bond-Bösewicht entgegenbringt. Übrigens widmete Jan Böhmermann schon 2022 Peter Thiel in seinem „ZDF Magazin Royale“ einen Song im James-Bond-Style: „Right Time to Thiel“.

Diskreter Strippenzieher

Im Vergleich zu Kettensägen-Milliardären wie Elon Musk gilt Peter Thiel als diskreter Strippenzieher im Hintergrund. US-Vizepräsident J.D. Vance gilt als sein Gewächs. „Competition is for losers“, sagt Peter Thiel und sein Plädoyer für Monopole hat gegenwärtig größere Chancen als je zuvor. Konkurrieren sollen nur Staaten untereinander – und zwar um die niedrigsten Steuersätze. Deshalb trat Thiel schon vor dem Krypto-Boom für staatlich unkontrollierte Währungen ein. Inzwischen sitzt ein Krypto-Bro mit eigener Währung, der „Meme-Coin“, im Weißen Haus.

Wie groß ist nun der Erkenntnisgewinn nach den sechs jeweils gut dreißigminütigen Folgen? Am größten ist er zweifellos in der sechsten Folge. Denn die Ideologeme, denen Thiel anhängt, machen ihn quasi zu einer Personifizierung der Widersprüche innerhalb der MAGA-Bewegung. Das bleibt in der Heldenerzählung des Podcasts jedoch merkwürdig unterrepräsentiert, ebenso wie die Konsequenzen seines im Namen der Freiheit™ auf Zerstörung von Staat und der Demokratie angelegten Projekts. So folgt der Podcast als erzählerisches Format eher der Logik einer Gruselgeschichte als der eines analytischen journalistischen Features

Jochen Meißner – KNA Mediendienst, 4.6.2025

P.S.: Mehr Erkenntnisgewinne in kürzerer Zeit zum Thema kann man bei den Vorträgen von Natascha Strobl oder Annika Brockschmidt erzielen, die kürzlich auf der Digitalkonferenz re:publica den gegenwärtige Stand der Umwälzung in Amerika aufgezeigt haben und für den der im Podcast bemühte Begriff „Vibeshift“ viel zu harmlos ist.

P.P.S.: siehe auch: Christopher Hechler: Strippenzieher und Vordenker. In: epd medien, 1.7.2025

 

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