Kleine Radiovorschau 8. bis 11. Oktober
Als 1997 Andreas Knaups Originalhörspiel „RadioNapping“ für Deutschlandradio Berlin unter Regie von Robert Matejka umgesetzt wurde, war der produzierende Sender in seiner damaligen Form gerade einmal drei Jahre alt. DRadio Berlin war Ergebnis des Zusammenschlusses von westberliner RIAS und Deutschlandsender im Osten der Stadt. Wie immer, wenn im Medienbereich durch Zusammenlegen von Redaktionen und Sendeplätzen „Synergieeffekte“ genutzt werden sollen, wurden viele Mitarbeiter arbeitslos. „RadioNapping“ spielt in einer fiktiven Sendeanstalt, aber natürlich vor besagter historischer Kulisse. Radio D blüht nach der Wende die Privatisierung. Der Archivar Alexander Karff, Hauptfigur in Knaups Stück, hatte schon früher unter der Beschäftigungspolitik bei Radio D zu leiden – erst wegen einer Bemerkung zum Mauerbau wurde er überhaupt von seiner Moderatorenposition weggeholt und ins Archiv gesteckt. Wie sich sein Aufbäumen gegen den Umbau der Radiolandschaft anhört? Am 8.10. um 21h33 bringt DRadio Kultur, wie DRadio Berlin seit 2005 heißt, das Hörspiel auf seinem Krimi-Sendeplatz.
Karl Drechslers Originalhörspiel „Noch ist nicht aller Tage Abend“ wird am Montag, 8.10., um 22h auf MDR Figaro urgesendet. Im Himmel begegnen sich Nikita Chruschtschow und John F. Kenndey, zur Zeit des Mauerbaus und der Kuba-Krise Vertreter von Ost- und West-Block, waren sie im Verhältnis zu manchen Vorgängern und Nachfolgern gesehen recht besonnen. Nach dem Tod kann der Dialog zwischen Kennedy (Walter Niklaus) und Chruschtschow (Peter Sodann) richtig beginnen. Ein guter Moderator ist auch anwesend, gesprochen vom Schauspieler und Kabarettisten Uwe Steimle.
„Heimatfront“ von Mithu Sanyal und Christian Ahlborn ist die Feature-Ursendung betitelt, die am Montag, den 8.10., um 23h auf WDR 3 urgesendet und am Dienstag 9.10. um 23h auf 1Live wiederholt wird. Im Mittelpunkt steht die Situation deutscher Kriegsheimkehrer sowie die Auswirkungen der neuen Kriege auf die deutsche Bevölkerung. Statements von „Veteranenfrauen“ und O-Töne von Soldaten über ihre PTBS sind schon bald tonangebend. Das ist schade, weil, wenn von Kriegsopfern die Rede ist, hierzulande ohnehin immer schon „unsere Jungs“ im Fokus stehen und selten die Bevölkerung in den angegriffenen Ländern. Und schließlich: Keiner muß heute Soldat werden und keiner kann so naiv sein, zu glauben, der Dienst mit der Waffe sei ein Seelenstreichler. Daß ein Feature nur begrenzten Themenumfang haben kann, ist klar. Trotz streckenweise guter Aufmachung der Informationen fehlt insgesamt die Distanz zum untersuchten Objekt, den Soldaten und ihren Familien, die zu viel Redezeit haben. Thomas Wolfertz als Regisseur gelingt es dennoch gelegentlich, ein wenig Objektivität unterzubringen.
Das Kulturradio vom rbb hat seine fünfteilige Kurzfeaturereihe „Schrifsteller vor Gericht“ von Ulrike Klobes und Matthias Käther (8. bis 12.10., 14h10) am 8.10. mit dem Urheberrechtstreit zwischen Karl May und dem Münchmeyer Verlag begonnen. Am 9.10. setzt es sie mit Oscar Wildes vor Gericht ausgetragenem Privatleben fort (am 11.10. ist Arno Schmidts Gerichtsauftritt wegen seiner „Seelandschaft mit Pocahontas“ dran). In Sarah Trilschs „Young Rebel“ (9.10., 19h20, SWR 2) entdeckt die Dauerpraktikantin einer Werbeagentur, Hanna, das Idol ihres Zwillingsbruders Victor für sich: Dean Reed, der „Rote Elvis“. Das sozialkritische Vokabular will sie gewinnbringend für Werbezwecke einsetzen, außerdem muß sie sowieso ihr Profil schärfen, weil der Chef sie für uncharismatisch hält – ganz schlecht für jemanden, der in einer Bedürfniserweckungsanstalt Träume und Sehnsüchte verkaufen will.
Kriegsblindenpreisträger 2012 ist „Testament“ von She She Pop; frei nach „King Lear“ handeln sie den Generationenvertrag mit ihren Vätern neu aus (Dienstag, 9.10., 20h10, DLF), auf dem ORF-Sender Ö1 folgt ab 21h das (deutsche) Hörspiel des Jahres 2011, die NDR-Produktion von Liao Yiwus stark autobiografischem Text „Vier Lehrmeister“.
Für Mittwoch, den 10.10., um 20h hat der Schweizer Sender DRS 2 etwas tiefer in die Preisträgerkistegegriffen: „Krok“ von Eberhard Petschinka und Helmuth Mössmer erhielt den Prix Futura 1995. Eigentlich soll das Gentech-Experiment Krok, „ein in der Retorte gezeugter Humanoide, eine Kreuzung aus Menschenaffe, Gänseblümchen und Krokodil“ die Gedanken von Umstehenden lesen und sie nicht manipulieren. Nur leider sind zuviel Anteile vom Krokodil in die Züchtung hieneingeraten, weswegen das Experiment aus dem Ruder läuft … Zeitgleich bringt NDR Kultur die Ursendung der Radiofassung von Jiro Taniguchis graphic novel „Vertraute Fremde“. Der Held ist ein Mann, der –mit Erinnerung und Wissen angefüllt – nochmal zurück in die Sechziger und seinen damaligen Teenager-Körper zurückkatapultiert wird. Er versucht die Trennung seiner Eltern, von der er weiß, daß sie kommen wird, zu verhindern. „Go Wost“ heißt es am Mittwoch, den 10.10. (21h33, DRadio Kultur) in John von Düffels Hörspiel (ORB/ RIAS 1992). Eine satirische Annäherung an die neuen bundesdeutschen Verhältnisse in Form eines Monologs. Die lethargische Figur des Oblomov stand für Düffels Oblowost Pate.
Die Ursendung von Marlene Steeruwitz Originalhörspiel „Preisträgerinnen“ hat SWR 2 am Donnerstag, 11.10., um 22h im Programm. Viele Frauen als Fußvolk, wenige nur an der Spitze, so ist es auch im Literaturbetrieb. Wie die denken, die es doch geschafft haben, z.B. Steeruwitz‘ Preisträgerinnen, zeigt dieses dialogische Sück.
8.10.2012 hoerspieldesmonats.wordpress.com, Rafik Will
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