Hörspiel des Monats Juli 2022
Campo
von Laura Uribe
Übersetzung aus dem Spanischen: Franziska Much
Regie: Friederike Wigger
Komposition: Achim Zepezauer
Redaktion: Barbara Gerland
Produktion: DLF Kultur 2022
Länge: Langfassung (online): 71:47 min. / Kurzfassung (Sendung): 56:30
Ursendung: 27.7.2022, DLF Kultur
Die Begründung der Jury
„Ich werde dich suchen, bis ich dich gefunden habe.“ So lautet das Motto einer Gruppe von mexikanischen Spurensucherinnen, den sogenannten „Rastreadores“, die mit einfachsten Mitteln nach ihren vermissten, entführten, ermordeten und schließlich verscharrten Angehörigen suchen. Weit mehr als 70.000 Menschen sind in Mexiko bisher Opfer von menschenverachtender Kriminalität geworden – vor allem durch die Mitglieder konkurrierender Drogenkartelle. Die zumeist weiblichen Hinterbliebenen kämpfen darum, ihre Angehörigen bzw. deren sterbliche Überreste wiederzufinden, werden dabei jedoch von einerseits überforderten, andererseits korrupten, in vielen Fällen jedoch untätigen Ermittlungsbehörden nicht ernsthaft bzw. gar nicht unterstützt.
Das dokumentarische Hörspiel „Campo“ (dt. Feld) der mexikanischen Performance-Künstlerin, Journalistin, Autorin und Regisseurin Laura Uribe (Übersetzung aus dem mexikanischen Spanisch: Franziska Muche) berichtet in sachlicher, aber niemals distanzierter Art und Weise sowie stellvertretend für die vielen erschütternden Einzelschicksale vom Kampf jener Frauen auf der Suche nach ihren Angehörigen.
Dem von Friederike Wigger inszenierten Hörspiel „Campo“ gelingt es in herausragender Weise, trotz aller Konkretheit, Drastik und Grausamkeit der Schilderungen, die Balance zu halten zwischen allzu großem Pathos und allzu lauter Anklage: eine Gefahr, die bei einer solchen Thematik gerade auch deswegen besteht, da sich die Autorin auf Originalmaterial, auf Augenzeugenberichte sowie auf eine eigene filmische Recherche bei einer der zahlreichen sogenannten „Suchbrigaden“ stützt.
Bemerkenswert ist im Stück darüber hinaus, dass Laura Uribe mehrfach ihre eigene Position reflektiert, etwa: „Ich habe mich gefragt, wie ich es verdammt nochmal hinkriegen sollte, dass deutsche Schauspieler diese Texte sprechen? Sie haben doch keinen Schimmer, was es heißt, nach Leichen zu suchen. […] Und ich denke, wer hat hier das Recht, wen zu spielen? Was gibt einem das Recht, über etwas zu sprechen?“ Oder an anderer Stelle: „Ich gehe als Dokumentaristin zur Brigade, und als solidarische Helferin […] Im Grunde wusste ich nicht so recht, warum ich hinging. Für einen Text nach Leichen zu suchen, fand ich seltsam. Ich verurteilte es nicht. Es war nur seltsam.“ Es ist zum einen möglicherweise die besondere Schwere jener Verbrechen, die nicht verschwiegen werden darf, sowie zum anderen die Beharrlichkeit der Protagonistinnen in ihrem verzweifelten Kampf, ihren Angehörigen ein letztlich würdevolles Begräbnis zu ermöglichen und sich von ihnen verabschieden zu können. Gründe genug jedenfalls, die dafür sprechen, jene auf Tatsachen beruhenden Geschichten zu erzählen.
Die vom überzeugenden Schauspielensemble eingesprochenen Texte und re-inszenierten O-Töne halten ebenso wie der Text und das Stück insgesamt die Balance zwischen einfühlsamer und eindringlicher Nähe und nüchtern-kühl in Szene gesetzter Distanz zu den Protagonistinnen.
Das Hörspiel des Monats wird am 03.09.2022 um 20.05 Uhr im Deutschlandfunk (DLF) wiederholt.
Die Nominierungen
BR, Monika Rinck: Risiko und Idiotie
DLF, keine Nominierung
DLF Kultur, Laura Uribe: Campo
HR, keine Nominierung
MDR, keine Nominierung
NDR, Eva–Maria Alves: 90. Geburtstag
RB, Volker Kutscher: Goldstein
RBB, Ruth Johanna Benrath: Wie sich alles verdichtet in Blumen
SR, Madeleine Giese: Nebel heißt Leben rückwärts (2. Staffel)
SWR, Werner Fritsch: Mixed Memory 1& Desire
WDR, keine Nominierung
ORF, Thomas Bernhard: Der Theatermacher
SRF, keine Nominierung
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