Hörspiel des Monats Dezember 2015
writing through genesis
von Klaus Reichert
Regie & Komposition: Alessandro Bosetti
Dramaturgie: Ursula Ruppel
Produktion: hr 2015
Erstsendung: HR 2 Kultur, 13. Dezember 2015
Länge: 43:54
Begründung der Jury
In diesem von Klangkunst-Einreichungen dominierten Dezember fiel die Auswahl auf die Sprachkomposition Writing Through Genesis, nach einem Text von Klaus Reichert. Der Anglist, Übersetzer und Lyriker nahm sich im Zuge der Bibelreihe von hr2, die nach heutigen Perspektiven auf die alte Schrift fragt, der Schöpfungsgeschichte an. In Hommage an seinen Freund John Cage und dessen Radiokomposition Writing through Finnegans Wake übertrug Reichert die von Cage benutzte Methodik der Mesostics auf das erste Kapitel der Genesis, in Hebräisch, Deutsch, Griechisch, Latein, Französisch und Englisch. Die vertikale Mittellinie ergibt jeweils die ersten beiden Wörter der Bibel „Im Anfang“.
Kein besserer als Alessandro Bosetti hätte sich dieser vielsprachigen Textfragmente für eine Funkbearbeitung annehmen können. Denn auf der Grenzliniezwischen Sprache und Musik balancieren die meisten seiner Radiostücke. Hier gelingt es ihm spielerisch, assoziativ, indem er die vom Vokalensemble Maulwerker eingesprochenen und eingesungenen Worte auf Silben reduziert, in Soundpartikel zerhackt, wiederholt und im Sinne der alten jüdischen kabbalistischen Tradition der Rekombination von Buchstaben zu immer neuen langformationen und Texturen kombiniert.
Die sich aus Lauten unterschiedlicher Sprachen entwickelnde Komposition verweist auf das Bibelzitat „Im Anfang war das Wort“ und auf den Turmbau zu Babel und erinnert an die Tatsache, dass die heilige Schrift anfänglich eine oral tradierte war und dem Klang der Silben eine göttliche Kraft zugesprochen wurde. Bosetti und Reichert ist hiermit eine moderne und eigenwillige Interpretation der Schrift und liturgischer a Cappella Gesänge gelungen, dessen tieferer Sinn sich in den O-Ton-Fragmenten am Ende des Stücks offenbart: „Die frühen Rabbiner, die Kabbalisten waren der Meinung, dass in jedem Wort der (…) in jedem Wort dieses Werkes steckt das ganze Werk drin.“
Das Hörspiel wird am 5. März 2016 im Deutschlandfunk (DLF) wiederholt.
Nominierungen
BR, Laurence Sterne: Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman (9-teiliges Hörspiel)
DLF, Hartmut Geerken: orgie mit mir selber
HR, Klaus Reichelt: Writing Through Genesis
MDR, keine Nominierung
NDR, Pedro Lenz: Der Goalie bin ich
RB, keine Nominierung
RBB, Ulrike Edschmid: Das Verschwinden des Philip S.
SR, keine Nominierung
SWR, Helmut Oehring: Mit anderen Augen
WDR, Falkner: Draußen unter freiem Himmel. Manifest 49
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