Ein Schwarzweißhörspiel über Zuversichten

„Eine Hörcollage aus Gedankengängen in Schwarzweiß“ nennt die Berliner Autorin Bettie I. Alfred ihr Hörspiel „Was glauben“, das sich mit unterschiedlichsten Aspekten von Zuversichten beschäftigt.

Bettie I. Alfred: Was glauben

SRF 2, Sa, 19.04.2025, 20.00 bis 21.00 Uhr

Gleich zwei Untertitel hat die Berliner Schriftstellerin und Hörspielmacherin Bettie I. Alfred ihrem Stück „Was glauben“ gegeben: „Eine Hörcollage aus Gedankengängen in Schwarzweiß“, heißt es zu Beginn des Hörspiels, während in der Abmoderation daraus „Ein Schwarzweiß-Hörstück über die unterschiedlichsten Aspekte von Zuversichten“ geworden ist. In den 58 Minuten, die dazwischen liegen, hört man einen oft viel zu weit nach vorne gemischten Generalbass, der sich aus dem staubigen Knistern einer viel zu oft abgenudelten Vinylschallplatte und der Brummschleife eines nicht optimal eingestellten Verstärkers zusammensetzt.

Auf dieser akustischen Grundierung bewegt sich die Autorin, unter anderem zusammen mit dem Kafka-Forscher, Verleger und Sprecher Axel Grube, dem Lesebühnenautor Ahne (Arne Seidel), und dem Puppenspieler Paul Affeld, durch religiöse Erfahrungsräume. Die Interviews sind zum Teil von schlechter technischer Qualität, was dem Gesagten keinen Abbruch tut.

Biografisch beginnt es mit der kleinen Bettie I. Alfred, als sie noch Iris Niedermeyer hieß und sich im Schatten der Kirche geborgen fühlte, auch wenn sie sich in den Gottesdiensten schnell langweilte. Mit kindlich-hochgepitcher Stimme hört man die Autorin selbst, die auch Regie und Sounddesign besorgt hat. Als heranwachsendes „Fräulein Gläubig“ entdeckte sie die Filme von Ingmar Bergman und Jean-Pierre Melville („Eva und der Priester“) und lenkte ihre Glaubensenergie auf andere Gegenstände, zum Beispiel die Freiheit.

Als Person verschütt gegangen

Obwohl sie bei ihrem Vater aufwuchs, spielte ihre religiöse Mutter eine gewisse Rolle, die auch im O-Ton überzeugend zum Ausdruck kommt. Aufgewachsen in einem nicht-religiösen, nazistischen Elternhaus, war die Religion für die Mutter ein Ausweg, auch wenn sie dafür verspottet wurden. Eindrucksvoll erzählt sie, wie sie „im Glauben eine Zeit lang als Person verschütt gegangen“ sei. Waren es zunächst die menschenfreundlichen Weltbilder der Kirche, die sie zu hinterfragen lernte, trat sie die Flucht nach vorne an – in die Anthroposophie Rudolf Steiners. Die Unterwerfung unter Dogmen oder Ideologien habe sie „im freien Denken und Sich-Entfalten ganz sicher sehr gehindert“, wie sich die Mutter entwaffnend offen eingesteht.

In einem O-Ton aus jener Zeit kommt der Jesuiten-Pater Johannes Leppich vor, den man in den 1950er Jahren „das Maschinengewehr Gottes“ nannte: „Aber auch wenn du zum Kloster keine Berufung hast, du bist ohne Zweifel glücklicher in einem sozialen, mütterlichen Beruf als die Mädchen, die nur Geld verdienen wollen, um sich zu amüsieren, von denen das Volkslied sagt: Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht, wir sind verdorben gestorben.“

Einen weiteren Horizont eröffnet demgegenüber Axel Grube, der den Bogen von den Vorsokratikern, die „die religiösen Bilder hinter sich gelassen hatten“ über Hölderlin („Echo des Himmels! Heiliges Herz!“) bis hin zu Friedrich Nietzsche spannt. Auf individueller Ebene ordnet er die Resonanzen frühkindliche Erfahrungen als Teil des religiösen Aufwachsens ein – durch die Riten, Klänge und Stillen in der Messe.

Religiöse Ekstase aus dem Geist der Kunst

Gegenwärtiger wird es dann mit dem Schriftsteller und Agnostiker Ahne, der bis 2015 auf im RBB-“Radio Eins“ berlinerisch-flapsige „Zwiegespräche mit Gott“ führte, die später in vier Bänden gedruckt erschienen sind. Der Puppenspieler und Musiker Paul Affeld schließlich beschreibt seinen Kontakt mit dem Göttlichen als „Gefühl der Größe und Herrlichkeit, die ein- oder zweimal am Tag kommt und wenn man nicht zu sehr beschäftigt ist, dann verpasst man sie auch nicht. Es gibt aber schon auch Tage, an denen sie gar nicht kommt.“

In einem 10-minütigen „Vorgeplänkel“ zu ihrem Hörspiel, das online auf der Website des Schweizer Rundfunks zu finden ist, berichtet Bettie I. Alfred von den Ambivalenzen, die sie mit ihren Gesprächspartnern erlebt hat. Dass im Lateinischen, wie im Englischen „credere“ beziehungsweise „to believe“ sowohl „glauben“ als auch „für wahr halten“ bedeutet, bringt diese Ambivalenzen auf den Punkt.

Kurz vor Ende des Hörspiels ergibt dann auch noch das permanente (und etwas nervige) Knacken des Vinyls einen Sinn, denn dann erklingt das Gloria aus der „Misa Criolla“ des argentinischen Komponisten Ariel Ramírez aus dem Jahr 1964 – ein Moment religiöser Ekstase aus dem Geist der Kunst. Nicht das schlechteste Ende für ein Hörspiel über religiöse Empfindungen und Erfahrungen in säkularen Zeiten am Karsamstag.

Jochen Meißner – KNA Mediendienst, 17.04.2025

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