Blaxploitation vom Saturn

Manuel Gogos: Black to the Future. Ästhetik und Sound des Afrofuturismus

DLF, So, 21.01.2024, 20.05 bis 21.00 Uhr

Zwischen Privatmythologien, Science-Fiction und kultureller Aneignung: Manuel Gogos spürt in seinem Feature „Black to the Future“ der Ästhetik und dem Sound des Afrofuturismus von Sun Ra über den afrodeutschen Künstler Nando Nkrumah bis zum Marvel-Blockbuster „Black Panther“ nach.

Als 1973 im Blaxplotiation-Film „Space is the Place“ der Freejazzer Sun Ra (1914-1993) im ägyptisierenden Outfit „mit Plateauschuhen und verstrahlten Weisheiten“ auf der Erde landete, brachte er den Erdenmenschen Musik vom Saturn und setzte damit einen Startpunkt für das, was man später (in den 1990er Jahren) mit dem Begriff „Afrofuturismus“ bezeichnen sollte. Manuel Gogos geht in seinem Feature für den sonntäglichen „Freistil“-Sendeplatz des Deutschlandfunk-Redakteurs Klaus Pilger, auf dem oftmals die schrägeren Varianten des Genres Radiofeature laufen, jenem Phänomen nach, das älter ist als seine Bezeichnung.

Als Vorläufer identifiziert er den schwarzen Philosophen Anton Wilhelm Amo (1703-1756), nach dem die Berliner U-Bahnstation Mohrenstraße umbenannt werden soll und den US-amerikanischen Historiker und Schriftsteller W.E.B. Du Bois (1868-1963). In dessen dystopischer Kurzgeschichte „The Comet“ aus dem Jahr 1918 vernichtet ein Komet fast die gesamte Erdbevölkerung bis auf einen schwarzen Mann und eine weiße Frau. Doch als die beiden auf einen weißen Mob treffen, „zerplatzte die Utopie einer Welt ohne Rassismus wie ein Traum“.

Für die Kulturwissenschaftlerin Natasha A. Kelly ist W.E.B. Du Bois ihr „schwarzer Superheld“ und ein Vorreiter des Afrofuturismus im philosophischen Sinne. Doch der Begriff ist ebenso unscharf wie schillernd. Der Afrofuturismus, so Kelly sei eine Metatheorie, die unterschiedliche Subkategorien beinhalte. In der Musik reichen die Wurzeln vom schon erwähnten Sun Ra über den Erfinder des Afro-Beats Fela Kuti bis hin zu Afrika Bambaataa. Im Film von Grace Dell „Nichelle“ Nichols als Lieutenant Uhura in „Raumschiff Enterprise“ bis hin zum vibraniumbetriebenen schwarzen Königreich „Wakanda“ im Marvel-Blockbuster „Black Panther“ aus dem Jahr 2018.

Natürlich könnte man an dieser Stelle das Konzept der „kulturellen Aneignung“ geißeln, würde der Austausch nicht in beide Richtungen funktionieren: in die Repräsentation schwarzer Superhelden im westlichen Kulturindustrie-Kino wie in der Adaption des Konzepts „Superheld“ in den Werken afrofuturistischer Autoren.

Akustisch ist das Phänomen Afrofuturismus gerade wegen seiner synkretistischen techno-magischen Dimensionen ein dankbares Feld, das Regisseur Philippe Bruehl fruchtbar beackert hat. Nicht nur die vielfältigen musikalisch-popkulturellen Referenzen, sondern auch der implizite oder explizite Irrsinn ist es, der den Autor Manuel Gogos zu der Frage verführt: „Ist das eigentlich sein [Sun Ras] Ernst?“ Doch die Frage, ob Sun Ra vom Saturn kam ist ebeso müßig wie die, ob Karlheinz Stockhausen wirklich vom Sirius stammte. Es ist ein Spiel mit Metaphern und Referenzen, mit Kontexten und Grenzüberschreitungen, das inzwischen im kulturellen Mainstream angekommen ist.

Den afrodeutschen Teil des Features bestreitet unter anderem Nando Nkrumah. Geboren 1978 in Ghana, wuchs er in Deutschland auf und studierte an der Kölner Kunsthochschule für Medien. In seiner Arbeit „Sankofiction“, die zehn Jahre vor dem Film „Black Panther“ entstanden ist, beschäftigte er sich mit dem Design schwarzer Superhelden. Ob dieser Film nun das Empowerment für eine positive Zukunft ist oder darin nicht doch der alte Konflikt zwischen Martin Luther King und Malcom X wieder ausgefochten wird, ist umstritten. Auf dem bunten afrofuturistischen Marktplatz, den dieses Feature abbildet, wird sich für jeden Geschmack etwas finden.

Jochen Meißner – KNA Mediendienst, 18.01.2024

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