13. ARD Hörspieltage 2016 – Die Preise
Am letzten Sonntag, den 12.11.16, sind im Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) die 13. ARD Hörspieltage zuende gegangen. Mit einer knappen Entscheidung bekam Robert Wilsons Hörspiel „Tower of Babel“ den mit 5000 Euro dotierten Jurpreis. Der mit 2500 Euro Publikumspreis ging an das bei der Jury unterlegenenen Hörspiel „Screener“ des belgischen Autors und Regisseurs Lucas Derycke.
Der mit 1000 Euro dotierte PiNball-Preis für freie Produktionen wurde geteilt und ging an Ein Würstchen von Mara Ittel und Die mit Dinkel von Vivien Schütz. Der erstmals vergebene und mit € 3000 dotierte Preis für die beste schauspielerische Leistung in einem Hörspiel wurde ebenfalls geteilt und ging an Birte Schnöink und Christian Löber in „Draussen unter freiem Himmel / Manifest 49“ von FALKNER.
Der mit 5000 Euro dotierte Deutsche Kinderhörspielpreis ging an die Autorin Silke Seibold für ihr Hörspieldebüt „Gib’s zurück!“. Der von einer Kinderjury vergebene Hörspielpreis der Stadt Karlsruhe ging (2000 Euro) ging an „Superflashboy“ von Salah Naoura.
Ein sehr schöne Sendung hat der Schweizer Rundfunk am 12.11.16 noch vor der Preisverleihung ins Programm genommen. Im einstündigen Hörspielmagazin „Äthersachen Spezial“ diskutierten Karin Berri, Susanne Janson und Mark Ginzler unter der Leitung von Elenor Landmann die Hörspieltage und stellten ihre Favoriten vor: „Sarah Schreier: Ich dachte in Europa stirbt man nie“, „Gotthold Ephraim Lessing: Die Juden“, „Lucas Derycke: Screener“ und „David Lindemann: Pan Familia“ (hier nachhör- und downloadbar).
Mein Beitrag zu den Hörspieltagen (leider weder nachhör- noch downladbar) läuft am 21.11.16 gegen 0.52 Uhr im Anschluss an FALKNERS „Manifest 40 Draußen unter freiem Himmel“ auf Deutschlandradio Kultur.
Der Deutsche Hörspielpreis der ARD
Von zwölf Hörspielen der ARD Hörspieltage standen am Schluss für die Jury drei Hörspiele zur Wahl: das gewaltige, surreal-düstere, seltsam aktuelle Gesellschaftstableau „Dshan“ von Lothar Trolle (eine Produktion des SWR); das vielleicht aktuellste Hörspiel der Hörspieltage, das Hörspiel „Screener“ des jungen Belgiers Lucas Derycke (eine Produktion des WDR), das uns zeigt, in welcher Hilflosigkeit wir leben, da wir unser eigenes Elend selbst produzieren; und als drittes Hörspiel „Tower of Babel“ von Robert Wilson (eine Produktion des Hessischen Rudfunks mit BBC, NDR, rbb und SWR). In einer Abstimmung zwischen „Sceener“ und wählte die Jury mit 3:2 Stimmen das Hörspiel Tower of Babel von Robert Wilson zum Hörspiel des Jahres.
Begründung:
Sprachen, Stimmen, Töne und Geräusche – ein Menschenbild als Klangbild. Wilson zertrümmert es mit alttestamentarischen Wucht in seine kleinsten, semantischen Einheiten. Sie stehen zunächst so einzeln, bloßgestellt und unerlöst im Hörraum, dass ein einigendes Motiv oder auch nur der kleinste gemeinsame Nenner eine Gnade wäre. Wilson, so scheint es, löst die zehn Zeilen des Alten Testaments ein und illustriert sie: eins wird das andere nicht mehr verstehen, nie wieder. Mit Blick auf unsere soziale, politische Gegenwart wäre das sogar berechtigt, aber „Tower of Babel“ wird nicht Schockbild eines Trümmerfeldes, sondern zu einer akustischen Spektralanalyse. Die Teile seiner Collage verhalten sich zum Ganzen nicht kalt summarisch, sondern wie die Organe zu einem Organismus. So besonders und beunruhigend sie im Einzelnen auch sind, sie fügen sich als Facette in die Vielfalt eines Großen und Ganzen. Mit nahezu allen Mitteln, die das moderne Hörspiel bietet, widerspricht Wilson dem biblischen Verdikt. Der Mensch der Gegenwart wird nicht mehr Mensch als Gleicher im Gleichen, sondern als je Besonderer unter Besonderen.
Das ist es, was uns eint; in dieser Dialektik finden wir zueinander und verstehen uns. Präzise und meisterlich ausgeführt im Detail, ohne jeden Behelf durch Meta-Ebene und didaktischen Kommentar – Robert Wilson schuf in nur siebzig Minuten einen monumentalen Beweis menschlichen Seins in all seinen Ausdrucksformen. Wir hören die Möglichkeiten des Menschen, präzise im Detail und in großer Form, archetypisch und zeitgenössisch. Ein Werk zur rechten Zeit: Es ruft unser Selbstbewusstsein wieder auf, ohne ideologisch zu appellieren. Es beruhigt, so paradox dies erscheinen mag, unsere Zweifel, indem es eindringlich die Gefahren zeigt, denen wir ausgesetzt sind, und es schenkt uns das zurück, was wir dieser Tage wohl am meisten benötigen: Mut. Ein großes Ganzes gelingt, weil Robert Wilson mit seinem Co-Regisseur Tilman Hecker sich mit großartigen Schauspielern, Musikern und Mitstreitern dazu verbindet.
Die Jury: Hermann Beil (Vorsitz), Elisabeth Schweeger, Elena Zieser, Oliver Bukowski, Wolfgang
Tower of Babel
Autor und Regie: Robert Wilson
Musik: Dom Bouffard & Hal Willner
Produktion: hr/BBC/NDR/rbb/SWR 2016
Länge: 71:04 Minuten
Mitw: Cécile Brune, Edith Clever, CocoRosie, Christina Drechsler, Lisa Genze, Ilie Gheorghe, Traute Hoess, Jürgen Holtz, Inge Keller, Lydia Koniordou, Christopher Knowles, Stefan Kurt, Daniel Liebeskind, Jonathan und Brigitte Renate Meese, Christopher Nell, Fiona Shaw, Robert Wilson und Daniel Hope (Violine)
Nach „Monsters of Grace II“ ist „Tower of Babel“ das zweite Hörspiel von Robert Wilson. Es bezieht sich auf eine der kleinsten und zugleich populärsten Geschichten des Alten Testaments. Das Dogma des ewigen wirtschaftlichen Wachstums, ebenso wie das Auseinanderfallen kultureller Einheiten und Gewissheiten machen die Geschichte des Babylonischen Turmbaus zu einem hochaktuellen Motiv. Robert Wilson führt in seinem Hörspiel eine überwältigende Vielfalt von Texten, Musiken und Sprachen zusammen. Angefangen von altbabylonischen Stadtbeschreibungen bis zu Collagen von Christopher Knowles finden Beispiele der Kunst und des menschlichen Geistes aus vielen Epochen zusammen. In gewisser Weise dreht Robert Wilson mit „Tower of Babel“ die biblische Geschichte um oder vollendet sie – indem er auf die verbindende Kraft der Kunst verweist.
ARD Online Award
Screener Autor und Regie: Lucas Derycke Übersetzung: Angela Kuhk Musik: Kraak Mit: Andreas Helgi Schmid, Vanessa Loibl, Moritz Führmann, Thomas Bading, Benjamin Höppner u. v. a. Produktion: WDR 2016 Länge: 43:47 Minuten |
Täglich werden Massen von Videos im Internet bereitgestellt – Tutorials, Tiervideos, Failvideos. Für ein großes Unternehmen kontrolliert Felix die Videoinhalte, die online gehen. Neben Alltäglichem ist auch unangemessenes oder illegales Material dabei. Er schaut zu und sortiert aus, im sicheren Glauben die Distanz zu wahren. Doch die Bilder bleiben nicht ohne Wirkung. Sie hallen nach und brechen in private Momente ein. Was geschieht mit der Bilderflut in seinem Kopf? Felix’ Leben gerät aus den Fugen.
Beste schauspielerische Leistung in einem Hörspiel
Birte Schnöink und Christian Löber in „Draussen unter freiem Himmel / Manifest 49“ von FALKNER. |
Birte Schnöink und Christian Löber in „Draussen unter freiem Himmel / Manifest 49“ von FALKNER.
Jurybegrünung
IN EINEM HÖRSPIEL SPIELEN
DAS IST ETWAS GANZ ANDERES, ALS BEISPIELSWEISE THEATERSPIELEN.
ERSTENS GIBT ES MEISTENS KEINE PROBENZEIT. DANN IST DER SCHAUSPIELER IN EINEM IMAGINIERTEN RAUM, DEN ER NICHT KENNT, WEIL DIESER RAUM JA ERST SPÄTER KREIERT WIRD. OFT BIST DU AUCH OHNE PARTNER VOR DEM MIKRO (DAS ALLERDINGS EIN WUNDERBARER PARTNER IST) UND LETZTLICH GEHT ES AUCH DURCHAUS ÖFTER MAL SCHIEF, SO ZU TUN, ALS WÜRDE MAN SPIELEN, WÄHREND MAN JA EIGENTLICH ALLES ABLIEST.
DU MUSST SCHON SEHR, SEHR GUT SEIN, UM SO FEIN, SO DIFFERENZIERT, SO TIEF VERZWEIFELT UND STARK ZU SPIELEN, WIE BIRTE SCHNÖINK UND CHRISTIAN LÖBER IN DEM HÖRSPIEL „DRAUSSEN UNTER FREIEM HIMMEL“
UND DANN SIND EBEN AUCH IHRE KÖRPER SPÜRBAR, NICHT NUR DIE STIMME, AUF DIE DER SCHAUSPIELER SONDERBARERWEISE OFT REDUZIERT WIRD
BEIM HÖRSPIEL. DIE INTENSITÄT DER BEIDEN, UND NATÜRLICH AUCH DAS THEMA, DER INHALT, HIELTEN MICH BEIM HÖREN IN EINER FAST UNERTRÄGLICHEN SPANNUNG. EINER SPANNUNG, IN DER MAN WIRKLICH DURCH ETWAS DURCH MUSS UND EINE TIEFSITZENDE ERFAHRUNG MACHT.
DA ICH HIER DEN PREIS FÜR SCHAUSPIEL VERGEBE, SPRECHE ICH NUR DARÜBER, OBWOHL ICH NATÜRLICH WEISS, DASS MAN FÜR EINE SOLCHE LEISTUNG SEHR GUTE BEDINGUNGEN BRAUCHT. ICH DANKE DEN BEIDEN FÜR DIESE ARBEIT UND GANZ PERSÖNLICH DANKE ICH FÜR SEHR VIEL INSPIRATION UND KRAFT UND UNRUHE.
Corinna Harfouch, alleinige Jurorin des neuen ARD Preises für die beste schauspielerische Leistung in einem Hörspiel.
PiNball
Ein Würstchen von Mara Ittel Die Wurst erzählt einen Schwank aus ihrem Leben. Sie lässt dabei nichts aus, spart nicht an peinlichen Details und unangenehmen Geheimnissen. Die Wurst erzählt von einer Halle und von Musik, von großen Klammern und lauten Sägen. Sie redet über den Darm und Gewürze, bis zu ihrem Ende. Die Wurst erzählt einen Schwank aus ihrem Leben. Sie lässt dabei nichts aus, spart nicht an peinlichen Details und unangenehmen Geheimnissen. Die Wurst erzählt von einer Halle und von Musik, von großen Klammern und lauten Sägen. Sie redet über den Darm und Gewürze, bis zu ihrem Ende. Dort wurden neben Würstchen auch Hörspiele serviert wie dieses, über die Entstehungsgeschichte einer Wurst, erzählt von der Wurst selbst. Ohne den (Wurst-)KonsumentInnen den Appetit verderben zu wollen, versucht dieses Kurzhörspiel den Werdegang einer Wurst auf amüsante Art und Weise zu verdeutlichen. Aufklärung und Unterhaltung pur. |
Die mit Dinkel von Vivien Schütz Das Gleiche oder dasselbe? Rindfleisch oder Schweinefleisch? Bei Laura (Sie) und Alex (Er) gibt es immer wieder kleinere Reibereien. Aber dann geht einer der beiden zu weit. Aus einer fiktiven Geschichte wird Realität. Doch was ist wahr, was fiktiv? |
Deutscher Kinderhörspielpreis
„Trotz heftigster Proteste wurde Lucas K. von seinen Eltern verstoßen. Verdammt zu zwei Wochen Gefängnisaufenthalt in der tiefsten, schrecklichsten, von Gefahren behausten, von Geistern nur so wimmelnden – ach, wem mach ich hier eigentlich Hoffnungen – verurteilt zu zwei Wochen Langeweile in der miesesten Einöde aller Zeiten.“ Na super! Statt mit seinem besten Freund ins Ferienlager zu fahren, muss der angehende Weltklasse-Reporter Lucas zwei Wochen zu seiner Großtante aufs Land.
Und als wär’s nicht schon schlimm genug, in die Pampa abgeschoben zu werden, kommt auch noch seine nervtötende Schwester mit – der reinste Alptraum! Ein Glück für Lucas, dass Nicky da ist – Fußballstar, Hobbydetektivin und schon bald seine Partnerin bei gewagten Ermittlungen in einem mysteriösen Kriminalfall. Zu den Verdächtigen zählt sogar die Großtante! Im Übrigen verhalten sich einige Jungs aus der Nachbarschaft unheimlich merkwürdig. Langsam wird es gefährlich. Und Lucas hat alle Mühe, den Kopf oben zu behalten. „Gib’s zurück!“ ist Silke Seibolds Debüt als Hörspielautorin und gleichzeitig ihre Bachelorarbeit
Jury-Begründung
Die Sommerferien mit der kleinen Schwester und dann auch noch auf dem Hof der schrulligen Tante Elly zu verbringen – das ist für Lucas die Höchststrafe. Doch die Provinz ist alles andere als öde, das bemerkt der Held in Silke Seibolds Hörspiel „Gib‘s zurück!“ sehr rasch und hält seine Abenteuer auf dem etwas antiquierten Aufnahmegerät von Papa fest. Abenteuerlich, ja sogar von detektivischer Spannung durchtränkt ist nämlich, was die Autorin dem Nachwuchspublikum hier bietet: Ein Krimi für Kinder, der in ländlicher Idylle handfeste Ungerechtigkeiten ökologischer Natur aufspürt, nebenbei ein schönes Lehrstück über Freundschaft bietet und unter der Regie von Kirstin Petri und mit der Musik von Peter Kaizar eine opulente Klangkulisse schafft. Ein sprachlich und akustisch einfallsreiches Kinderhörspiel, das im Mikrokosmos große Fragen stellt.
Die Jury:
Frank Olbert (Juryvorsitz), Kerstin Behrens, Eva-Maria Lenz, Karin Lorenz, Torsten Krug.
Die besten Produktionen aus den 24 eingereichten Hörspielen fasst die Jury in folgender „Top 5“-Liste zusammen (die Reihenfolge stellt keine Rangliste dar)
- „Anders – das Hörspiel“, Andreas Steinhöfel (WDR), Einreichung durch Silberfisch/ Hörbuch Hamburg Verlag
- „Gib’s zurück!“, Silke Seibold (SWR), Einreichung des Sender
- „Mattis und die Himbeerdiebin“, Hans Zimmer (DKultur), Einreichung des Autors
- „Wenn Pinguine fliegen“, Sarah Trilsch (DKultur), Einreichung des Senders
- „Wir sind nachher da, wir müssen kurz nach Afrika“, Oliver Scherz (WDR), Einreichung Judith Ruyters
Gleichberechtigte Träger des Preises, der zum elften Mal vergeben wurde, sind Film- und Medienstiftung NRW und die Landesrundfunkanstalten der ARD, mit Unterstützung der Stadt Wuppertal.
Kinderhörspielpreis der Stadt Karlruhe
Superflashboy (Werkstattbericht) Autor: Salah Naoura Regie: Robert Schoen Musik: Martin Bezzola Mit: Pepe Trebs, Rober Sahin, Oliver Szerkus, Lou Tillmanns, Sascha Icks, Christian Klischat, Paula Hans, Oliver Kraushaar, u.v.a. Länge: 51 Minuten Produktion: HR/NDR |
»Mann, Alter! Siehst du cool aus! Total wie Flashboy!« Mehmet ist von den Socken. Hat man schon mal ein so täuschend echtes Faschingskostüm gesehen? Auch Torben-Henrik selbst, dessen Schusseligkeit seiner kolossalen Muskelkraft stets im Wege steht, gefällt sich in der neuen Rolle des Super-Helden. Zu dumm nur, dass auch Nitrowitsch und Petrowitsch, zwei Beamte vom Wachpersonal aus Hero-City, auf das Kostüm reinfallen, den Jungen mitten auf der Straße in ihr Auto zerren und losbrausen – ab durch eine Tunnelschleuse, direkt nach Hero-City. In dieser unbekannten Helden- Parallelwelt schwirren Bat- und Spiderman durch die Lüfte, und in der Schule unterrichtet Frau Lifeguard Fächer wie Lebensrettung. Kein Wunder, dass der echte Flashboy, ein zarter Feingeist mit Schaumstoffmuskeln, sich hier völlig fehl am Platz fühlt – und höllisch erschrickt, als plötzlich sein Doppelgänger in seinem Zimmer auftaucht. Denn selbst ROB-X3, seine elektronische Gouvernante, ist auf Torben-Henriks Verkleidung reingefallen. Zu kompliziert? Im Gegenteil: Erst als Torben-Henrik und Flashboy ihre Rollen tauschen, wird es richtig turbulent – überraschendes Ende inklusive!
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