The Artist as Promptist (und Schmuck-Eremit)

Robert Schoen: Kaf*KI – ein akustisches Marionettentheater

HR 2 Kultur, So, 2.6.2024, 14.04 bis 15.00 Uhr

Am 3. Juni jährt sich der Todestag Franz Kafkas zum einhundertsten Mal. Mit dem Stück „Kaf*KI“ setzt Hörspielmacher Robert Schoen seine Erforschung der Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz im Hörspiel fort und stellt die alte Hörspielfrage „Wer spricht?“ neu.

Was tun, wenn Künstliche Intelligenzen immer mehr von der kreativen Arbeit übernehmen, für die bisher Menschen gebraucht wurden? Was passiert, wenn statt eines „Artists“ nur noch ein „Promptist“ gefragt ist, also jemand, der nur möglichst ausgefeilte „Prompts“ definieren muss auf deren Grundlage dann eine KI die entsprechenden „Werke“ generiert.

Der Autor, der in Robert Schoens 50-minütigem, akustischem Marionettentheater „Kaf*KI“ von ihm selbst gesprochen wird, sieht seine Zukunft ziemlich düster. Nach seiner Hörspielschnupperei „Tief im Archiv“ (Kritik hier) ist „Kaf“KI“ bereits das zweite Stück Schoens, das sich mit den Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz in kreativen Prozessen beschäftigt.

Hon Bigg the Dinton HermitWährend KI mit neuen Stücken die Hörspielwelt bereichert, bleibt für den Hörspielweltler, also den Autor, nicht mehr viel übrig. Schoen spekuliert über eine Existenz als „Schmuck-Eremit“. Britische Adlige des 18. Jahrhunderts hielten sich sogenannte „Garden hermits“, die als Teil der ästhetischen Inszenierung von Landschaftsgärten eingesetzt wurden und die gehalten waren, ein Gefühl von Melancholie und pittoresker Schönheit zu vermitteln – oder wahlweise sogar möglichst philosophische Reden zu halten.

Doch bevor wir der allmählichen Verfertigung eines Hörspiels beim Machen lauschen, geht es erstmal mit einer fröhlichen Uptempo-Version eines kurzen Monologs von Wagner aus Goethes Faust II los, aus der, dank KI, ein südamerikanisch inspirierter Hit generiert wird. Es geht um die Zeit, als KI noch einen Körper brauchte, bevor sie zur Stimme und zur Sprache werden konnte und als Homuculus die Welt betrat.

Nachdem sich Autor und KI bei der Frage „Duzen oder Siezen“ auf ein „Arbeits-Du“ geeinigt haben, geht es von Goethe zu Kafka, dessen Todestag sich am 3. Juni zum 100. Mal jährt. Kafkas Erzählung „Die Sorge des Hausvaters“, in dem eine merkwürdig unbestimmte und zweckfreie Wesenheit namens „Odradek“ eine zentrale Rolle spielt, liefert die Grundlage.

Selbstreflexiv und selbstironisch werden die Elemente des Hörspiels durchdekliniert und zwischendurch von Suno AI generierte Songs eingespielt, beispielsweise „Hausvaters Sinnsuche“ im Stil des deutschen Emo-Pops oder ein fiktiver Monolog Odradeks zu einem funky Instrumental. Odradek emanzipiert sich hier von seiner Rolle als „stochastischen Papagei“ eines Large Language Models (LLM). Denn mit jedem Tag permanenten Trainings, lernt er die Ängste und Wünsche seiner Benutzer besser kennen, um sie dann subtil zu manipulieren.

Gesprochen werden sämtliche Texte außer denen des Autors von synthetischen Stimmen der Software-Firma Eleven Labs AI. Die Haupt-KI hat die geklonte Stimme des YouTubers „Nobody and the computer“, der sich in seinen Videos mit der KI-gestützten Generierung von Videos und Musik beschäftigt.

Robert Schoen verrät in seinem Stück einige Tricks der Hörspielproduktion, parodiert dezent den Jargon im Aufnahmestudio und diskutiert die alte Hörspielfrage „Wer spricht?“ in genau dem Moment, im dem neue, synthetische Akteure die Hörbühne betreten. Man hat schon schlechtere Stimmen, Dialoge, Szenen gehört – wie auch der Autor im Stück zugeben muss. Vom klassischen Hörspieldialog bis zu Scifi-haftem Tech-Talk kann die Maschine die Register mühelos wechseln.

Für das Hörersegment „junge Progressive“ ist das genau das Richtige, aber das „Eroberungssegment Besorgte/Verunsicherte“ könnte man dadurch verschrecken, wendet die KI selbstkritisch ein. Damit reagiert Schoen ironisch auf die in der ARD gerade virulente Diskussion über die Optimierung des Hörspiels im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die eher eine Optimierung der Hörerschaft zum Ziel hat. Im Hörspiel ist es der Hausvater, dessen Welt von Odradek komplett durchdigitalisiert und optimiert wird. Die Kafka-Figur wird zu einer weltabgewandten Kafka-Existenz verurteilt.

Robert Schoen setzt in „KafKI“ auf eine ausgefeilte Dramaturgie, die ihre Konstruktionsprinzipien offenlegt, wobei immer erkennbar bleibt, wozu sie dient: nämlich als Gerüst für das zu Erzählende und das zu Diskutierende. Das Stüclk funktioniert zwar auch als amüsante Satire auf den Hörspielbetrieb, vor allem geht es aber um die Selbstreflexion des dramaturgischen Handwerks selbst, das vor mehr als einhundert Jahren von Kafka zur Implosion gebracht wurde. Es ist nicht nur die Frage „Wer spricht?“, die „KafKI“ stellt, sondern auch die Frage, wie man auf das antworten soll, was nur die eigene Frage als Gestalt ist.

Robert Schoen spielt diese Fragen aber nicht im Duktus existenziellen Geraunes durch, sondern zieht die Fäden eines Marionettentheaters, das immer witzig und unterhaltsam bleibt, auch wenn man die Mechaniken dahinter kennt. Nur die Hymne auf die KI im Helene-Fischer-Stil am Schluss tut dann doch richtig weh.

Jochen Meißner – KNA Mediendienst, 31.05.2024

vgl.: Stefan Fischer: Wenn Kafka für die Öffentlich-rechtlichen arbeiten müsste., SZ 31.05.2024

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