Überwürzt und fad zugleich

Mit der Hörspielserie „Monos – die Gefängnisinsel“ von Nina Meyer und Felix Enstfeld adressiert die ARD die Freunde gewaltpornografischer Romane à la Sebastian Fitzek und biegt am Schluss in Fantastische ab. Warum bloß?

Nina Meyer, Felix Engstfeld: Monos – die Gefängnisinsel

ARD (WDR), ab 14.11.in der  ARD Audiothek

Berlin (KNA) Folgt man Anton Tschechow, dann sollte, wenn im dritten Akt ein Gewehr losgeht, es schon im ersten Akt an der Wand gehangen haben. Sonst hat man ein echtes dramaturgisches Problem. Auch in der achten und letzten Folge der Thrillerserie „Monos – die Gefängnisinsel“ von Felix Engstfeld und Nina Meyer fliegt einem die Geschichte gehörig um die Ohren – und dieser letzte Twist ist nicht das einzige Problematische an der Serie, deren erste Folge auf den ARD-Hörspieltagen Anfang November vorgestellt wurde.

Doch der Reihe nach. Bevor die virtuelle Gemeinschaftsredaktion aller Hörspielabteilungen der ARD-Landesrundfunkanstalten eine Serie beauftragt, müssen die Autoren ihre Idee pitchen und dazu einen 15-seitigen Fragebogen ausfüllen, in dem schon auf der ersten Seite nach dem „Unique Selling Point“ gefragt wird. Und bei dem außerdem bei Staffelfortsetzungen Abrufzahlen und Logfiles „mit Hilfe deiner Medienforschung“ auszufüllen sind. Überdies sollen Distributionsideen zu Social Media und ein „Claim für eine Go-to-Marketing-Kampagne“ entwickelt werden. „Zusätzliche Kanäle und Crosspromo- und Kooperationspartner“ sind auch gern gesehen. Zudem soll die „Konkurrenzsituation“ analysiert werden, das heißt, man soll herausfinden, welche Einzelstücke des gleichen Genres oder Subgenres es innerhalb oder außerhalb des ARD-Kosmos bereits gibt. Zusätzlich sollen gleich noch eine Budgetkalkulation nebst Zeitplan mitgeliefert werden.

Natürlich sollen auch noch die Figuren charakterisiert und ein Moodboard mit ein paar Bildern illustriert werden. Platz für eine Probeszene ist auch noch vorgesehen. Kurz, es wird ein erheblicher (unbezahlter) Aufwand erwartet. Und weil es die ARD ist, gibt es noch eine Zusatzanforderung: „Falls deine Hörspielserie z.B. die Wahrnehmung der Vielfalt sozioökonomischer Perspektiven fördert, oder in besonderem Maße Diversity-Aspekte wie Gendergerechtigkeit beleuchtet, oder einen Fokus auf unsere (post-)migrantische Gesellschaft legt, oder aus einem anderen Aspekt heraus einen besonderen Public Value für die ARD hat, kannst du es hier aufschreiben“, heißt es im Fragebogen weiter.

Was stand im Pitch?

Vor diesem Hintergrund könnte man sich fragen, womit Nina Meyer und Felix Engstfeld, die schon einige Hörspiele für den Westdeutschen Rundfunk (WDR) geschrieben haben, den Fragebogen ausgefüllt haben, um „Monos“ zu pitchen. Vielleicht, dass ihre Serie die Portfoliolücke zwischen Krimi, Thriller und Kammerspiel füllt. Oder dass man das Publikum gewaltpornografischer Romane à la Sebastian Fitzek erreichen will und so seinen USP findet.

Die Geschichte der Insassen der Gefängnisinsel Monos beginnt mit dem Verschwinden eines Gefangenen namens Nils. Sein bester Freund Jamusz (Jannik Schümann) macht sich mit Micha (Dimitrij Schaad) auf die Suche, die sich schwierig gestaltet, da Monos ein Pilotprojekt im Strafvollzug ist: 30 Gefangene, lediglich ein Wärter und keine Mauern auf einer Insel, der man nicht entkommen kann. Als die Leiche eines alten Mannes angetrieben wird, die Verbindung zum Land abreißt und ein Unwetter die gesamte Insel überschwemmt, eskaliert die Situation.

Mit Bjarne Mädel als Wärter René, Lars Rudolph als verrücktem religiösen Eiferer Harke, Murathan Muslu als brutalem Anführer Wotan, Wilson Gonzales als Killer Danny und Dustin Semmelrogge als Deus-ex-machina Zwenger ist die Serie hochkarätig besetzt und von WDR-Regisseur Martin Zylka actionreich inszeniert. Von Gemetzel zu Gemetzel wird immer noch eine Schaufel mehr draufgelegt. Dagegen ist nichts einzuwenden, weil es die Gepflogenheiten des Genres bedient. Ebenfalls bekannt ist die Technik, in Rückblenden die Backstory der Figuren zu erzählen. So ist Hauptfigur Micha früher von seinem Mitschüler Laurin (Jacob Speidel) gemobbt worden, woraufhin er sich mit seinem Quälgeist angefreundet hat. Leider ging die Geschichte nicht gut aus, weil Laurin in dieser mehr oder weniger manifest sadomasochistischen Beziehung von Micha ertränkt wird, was ihm den Aufenthalt auf der Gefängnisinsel eingebracht hat.

Dramaturgische Bauklötze

Man hat den Eindruck, dass hier eine ganze Kiste dramaturgischer Bauklötze, Figurenklischees und Plottwists ausgekippt wurde, die man dann mehr oder weniger kunstvoll aufeinandergeschichtet hat. Bis der letzte Klotz den Turm zum Einsturz bringt. Was man die ganze Zeit ahnte – nämlich dass das Projekt Monos ein psychologisches Experiment war – bekommt jetzt einen Dreh ins Fantastische. Denn nahe der Insel gibt es im Meer eine temporale Anomalität, einen Zeitstrudel, der dafür sorgt, dass auf der Insel die Zeit erheblich schneller vergeht als an Land, sodass nach Verbüßung jahrelanger Haftstrafen in der übrigen Welt nur Monate vergangen sind. Und die angeschwemmte Leiche des alten Mannes war niemand anderes als der acht Folgen lang gesuchte Nils, der dem Zeitstrudel nicht entkommen konnte.

Mit „Monos – die Gefängnisinsel“ ist Felix Engstfeld und Nina Meyer das Kunststück gelungen, eine Serie zu verfassen, die überwürzt und fad zugleich ist. Vorhersehbare Figurenkonstellationen mit erwartbaren Konflikten, bei denen sich das Ensemble hörbar bemüht, das Beste daraus zu machen, treffen auf einen komplett unmotivierten Genrewechsel. Wenn man so einen Schuss abfeuern will, dann wäre es besser, wenn man sich vorher Tschechows Gewehr ausgeliehen und gut sichtbar platziert hätte.

Jochen Meißner – KNA Mediendienst, 27.11.2025.

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