Stellungnahme der DADK zur transmedialen Zukunft des ö.-r. Rundfunks
Die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste (DADK) begrüßt alle Initiativen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die eine Nutzung online-definierter Verbreitungsplattformen für öffentlich-rechtliche Programminhalte intensivieren. Insbesondere die netzaffine jüngere Generation bevorzugt längst einen flexiblen, d.h. von zeitlich fixierten Sendeplätzen unabhängigen Programmkonsum. Es entspricht nach unserer Ansicht den geltenden gesetzlichen Regelungen, wenn auch und gerade der öffentlich-rechtliche Rundfunk sein Programmangebot an der zunehmend multiplen Rezeptionspraxis orientiert.
Neue technische Plattformen ermöglichen und erfordern neue inhaltliche Formate. Die DADK unterstützt es deshalb ausdrücklich, wenn das telemediale Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – über bisher vorhandene Digitalformate wie Livestream und Mediathek hinaus – Schwerpunkte wie „Online-First“ und „Online- Only“ etabliert. Wir erwarten allerdings, dass folgende vier Merkpunkte dabei zentrale Berücksichtigung finden.
- Das weltweit geachtete öffentlich-rechtliche Rundfunksystem der Bundesrepublik Deutschland wurde geschaffen, um eine Wiederholung der rundfunkpolitischen Katastrophe in der Mitte des vorigen Jahrhunderts für alle Zukunft auszuschließen. Das strikt zentralisierte Propagandainstrument Reichsrundfunk hatte wesentlich dazu beigetragen, unseren Kontinent in ein nie dagewesenes politisches/kulturelles/ökonomisches Desaster zu stürzen. Als unverzichtbare Bausteine des neu zu schaffenden Rundfunks in Deutschland wurden deswegen vorgesehen: Eine streng föderalistische Organisation sowie eine gebührenfinanzierte Unabhängigkeit.
Nur die föderale Vielfältigkeit garantiert eine produktive Konkurrenz der demokratischen Ideen. Nur das Gebührenprivileg erlaubt es, Werte wie journalistische Neutralität und kulturellen Ernst gegenüber rein marktwirtschaftlichen oder populistischen Prinzipien zu verteidigen.
Die DADK erwartet, dass auch ein transmedial organsierter öffentlich-rechtlicher Rundfunk in der Bundesrepublik Deutschland die föderale Vielfältigkeit wahrt und seine bisherigen gesetzlichen Aufgaben (Information, Bildung, Unterhaltung, Kultur) ungeschmälert erfüllt.
- Verständlicherweise haftet vielen bisherigen Online-Initiativen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein gewisser Laborcharakter an. Grundsätzliche programmpolitische Gesichtspunkte geraten während solcher Probephasen leicht ins Hintertreffen. Letzteres nicht zuletzt deswegen, weil man auf den neuen Plattformen in direkter Konkurrenz zu rein marktwirtschaftlich orientierten Anbietern steht. Das suggeriert eine Ausgangsbasis, die quantitativen Gesichtspunkten (Quote, Klick) gegenüber journalistischen oder gar künstlerischen Erwägungen den Vorrang gibt.
Es fällt auf, dass nahezu alle Planungspapiere des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur telemedialen Transformation primär die geänderte Einschaltsituation ins Feld führen. Diese passive Focussierung auf statistische Ergebnisse der Markt- und Publikumsforschung hat nach unserer Meinung eine bedenkliche Ausschließlichkeit angenommen. Bei aller Wichtigkeit positiver Einschaltergebnisse: Hauptziel jeder Reform muss für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine aktive und programm-inhaltliche Planung bleiben.
Die DADK ist ein Interessenverband der darstellerisch Schaffenden unseres Landes (Schauspieler*innen, Regisseur*innen, Autor*innen, Komponist*innen, Kritiker*innen, Redakteur*innen, Produzent*innen). Nahezu alles, was in dieser Szene Rang und Namen hat, steht auf unserer Mitgliederliste. Es dürfte kein Zufall sein, dass sich in letzter Zeit die Klagen über Einschränkungen oder gar Streichungen in den anspruchsvollen Programmsegmenten häufen. Von Seiten der Sender wird vorrangig die Online-Transformation als Begründung für eine vermehrte Konzentration auf das Mainstream-Angebot genannt.
Die endgültige Etablierung eines transmedialen öffentlich-rechtlichen Rundfunks erfordert eine Rückbesinnung auf diejenigen Werte, die allein das Gebührenprivileg rechtfertigen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk unseres Landes hat nicht allein den Auftrag, im online-Bereich höchstmögliche Einschaltungen zu erzielen. Er darf dabei seine Aufgabe als maßgeblicher Garant der demokratischen und kulturellen Zukunft unseres Landes nicht vernachlässigen.
- Es hat eine gewisse Berechtigung, wenn in der Übergangsphase in eine transmediale Programmzukunft die formativen Fragen Vorrang haben. Gesichtspunkte wie Urheberrecht und Leistungsschutz dagegen werden bislang bei den online-Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unzureichend berücksichtigt. Der DADK wurden in den letzten Jahren Zumutungen zur Kenntnis gebracht, die nicht nur die Grenze zur Unverantwortlichkeit überschreiten, sondern auch in rechtlicher Hinsicht fragwürdig sind.
Die Online-Verwendung von Programmleistungen wird überwiegend als Zusatz- bzw. Nebenbei-Verwendung eingestuft, die mit geringfügigen Aufstockungen abzugelten ist, obwohl die Verweilzeiten in Mediatheken und digital zugänglichen Archiven sich ständig ausdehnen. Die argumentativ gut begründete Transformation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ins Online-Zeitalter hat einen unguten Beigeschmack, solange man eine Anpassung des Honorar-Systems an die modernen Gegebenheiten verweigert.
Angesichts der Tatsache, dass in nicht allzu ferner Zukunft die Online-Präsenz auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Vorrang haben wird, bedürfen gerade die urheberrechtlichen und honorarrechtlichen Aspekte einer intensiveren, vor allem einer transparenten Diskussion.
- Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist der Partner, nicht der Feind der kulturell Schaffenden unseres Landes. Wesentliche Funktionen der traditionellen Kultur-Instanzen (Konzert, Theater, Museum, Debatte) hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk an sich gezogen und in der Vergangenheit verantwortungsvoll gestützt. Sollte im Zuge der Online-Transformation diese kulturelle Aufmerksamkeit Schaden nehmen, wäre die Grundvoraussetzung entfallen, die von den Gründungsvätern dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk mitgegeben wurde: Die Schulung und Bewahrung eines freien und demokratisch orientierten kollektiven Bewusstseins.
Eine wesentliche Voraussetzung des Gebühren-Privilegs wäre entfallen, wenn diese Aufgabe in Zukunft als weniger wichtig, weil weniger quotenträchtig eingeschätzt würde. Letztendlich hieße das: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk beraubt sich selber einer zentralen Existenz-Berechtigung. Nur durch uneingeschränkte Beibehaltung auch der kulturellen Programmsegmente (TV-Fiction, Film, Hörspiel, Dokumentation, wissenschaftlicher Diskurs, Konzert, Neue Musik, Weltmusik, kulturelle Berichterstattung, Kritik) ist aus Sicht der DADK eine transmediale Transformation des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks sinnvoll und berechtigt.
Welche Inhalte und Formate für die Erfüllung dieser Aufgabe unabdingbar sind, kann nur im engen Arbeitskontakt mit den Kreativen dieses Landes entschieden werden. Kulturelle Programmleistungen entstehen nicht allein auf der redaktionellen bzw. senderinternen Planungsebene. Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk ohne Fürsorge für sein freischaffenden Mitarbeiter*innen und ohne Achtung vor der Autonomie der Kunst hätte aufgehört, Kulturträger zu sein.
(Stand: 05.08.2021)
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