Hörspiel des Monats Oktober 2018

Unterleuten

von Juli Zeh

Regie: Judith Lorentz
Komposition: Lutz Glandien
Redaktion: Juliane Schmidt
Produktion: RBB/NDR
Erstsendung: 03.10.18, 12.05 bis 18.00 Uhr, RBB Kulturradio
Länge: Teil 1: 54:14, Teil 2: 56:52, Teil 3: 51:27, Teil 4: 48:26, Teil 5: 54:10, Teil
6: 54:36

 

Die Begründung der Jury

Teil 1: Deutet an, warum diese Jury der Umsetzung von Juli Zeh’s „Unterleuten“ von der Publikation zum Hörspiel/Podcast mit besonderem Interesse lauschte. Wurde doch die Romanvorlage seit 2016 zu Theaterstück, Hörbuch und Internetauftritt weiter verarbeitet, und die Dreharbeiten zum Film haben begonnen. Ist überbordendes Erfolgs- und Leistungsdenken nicht ein Schlüsselthema des Romans?!

Teil 2: Weist auf die Aktualität und zugespitzte Lebensnähe des Stoffes hin. Da geht es um ein Dorf in der Uckermark, an dessen Strukturen sich gesellschaftliche Phänomene ablesen lassen: Verwandtschaftliche Bindungen verknüpfen sich mit ökonomischen Abhängigkeiten. Ost- und westdeutsche Mentalität prallen hart aufeinander, Konflikte um Profitgier, Klimaschutz, Naturschutz wachsen durch Verrat und enden mit Gewalt. Menschen die Gutes wollen, erreichen das Gegenteil.

Teil 3: Berichtet, dass sich Judith Lorentz erfolgreich von der erzählenden Vorlage emanzipiert und den Text in vollendeter Dramaturgie zum dialogischen Hörspiel umgestaltet hat. Mit gleichberechtigten Stimmen, die aus ihrer Perspektive heraus erzählen, ohne den Beiklang von Papier. Erwähnenswert auch die konzise Zusammenfassungen die in jeder Folge den ungewohnt schnellen Wiedereinstieg ermöglicht.

Teil 4: Führt aus, dass Judith Lorentz eine ebenso überzeugende Regieleistung abliefert, die sich sowohl in der Arbeit mit dem Schauspielerensemble als auch in der atmosphärischen Verdichtung von Klängen und Räumen abbildet. Ein starker Rhythmus entsteht zwischen Interview-ähnlichen Passagen, akustisch ausdifferenzierten Szenen und inneren Monologen.

Teil 5: Hebt die Leistung eines hochkarätigen Schauspielerensembles hervor, das sich seine Rollen teils frei erzählend, teils vom Blatt gestaltend erarbeitet hat und dadurch eine Lebendigkeit und Echtheit erzeugt, die beeindruckt. Stimmfarben entfalten Wirkung hier, sowie eine hohe Dynamik an Ausdrucksmöglichkeiten und die Authentizität diverser Dialekte.

Teil 6: Würdigt die Arbeit von Tonmeister Peter Avar und Komponist Lutz Glandien, die dem dichten Gewebe von Klangebenen akustischen Glanz und Tiefenschärfe verleihen. Der virtuose Einsatz von extrem nah aufgenommener Sprache im Studio, die mit Vor-Ort Aufnahmen in der Halbtotale kontrastieren und sich gestaffelt in die Panoramatotale einfügen – dazu klangprächtige Tieraufnahmen und abstrakt-realistische Musikakzente. Das lebt.

Eine lobende Erwähnung im Sinne eines zweiten Preises spricht die Jury aus für „Bei Trost“ (Regie: Bernadette Sonnenbichler, Komposition: Tobias Vethake / HR). Diese Hörspieladaption von Naema Gabriel’s Graphic Novel „Sinus“ zeichnet in starker Bildsprache das kaum vorstellbare Achterbahnleben einer heranwachsenden Tochter mit ihrer manisch-depressiven Mutter nach. Stimmlich authentisch und beeindruckend wandelbar begleitet die Sprecherin Laura Maire das Mädchen Mo zwischen ihrem sechsten und sechzehnten Lebensjahr. Erkenntnisreich und emotional stark mit einer positiven Grundnote.

Das Hörspiel wird am Samstag, den 5. Januar 2019 im Deutschlandfunk (DLF) wiederholt.

Die Nominierungen

BR, Hannes Becker: Die Symptome von Ingolstadt
DLF, Jan Neumann: Zeit seines Lebens
DLF Kultur, Frieda Paris: Ruhepuls, Rom
HR, Naema Gabriel: Bei Trost
MDR, Heiner Müller: Der Bau
NDR, Andreas Ammer / Ulrike Haage: Die Toten von Feuerland
RB, keine Nominierung
RBB,  Julie Zeh: Unterleuten
SR,  keine Nominierung
SWR, Roland Schimmelpfennig: 100 Songs
WDR, Sebastian Büttner: Der Putsch 2

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