Hörspiel des Monats Juli 2018

Das Notizbuch vom Kiefernwald

von Francis Ponge
Bearbeitung: Ulrich Lampen
Dramaturgie & Redaktion: Peter Liermann
Produktion: HR
Erstsendung: HR 2 Kultur 22.07.2018
Länge: 49:10

Die Begründung der Jury

Ulrich Lampen hat ein Antihörspiel geschrieben. Seine radiophone Anverwandlung von Ponges „Das Notizbuch vom Kiefernwald“ in der Übersetzung Peter Handkes entspricht in ihrer spröden Verweigerung erzählerischer oder auch akustischer Kulinarik auf überraschende Weise der asketisch-meditativen Besinnung Ponges auf das Objekt selbst, auf das Rohe an ihm, auf das, was es unterscheidet von dem was der Dichter über es geschrieben hat: Es ist die Schrift, die sich vom Objekt entfernt, die Literarisierung, die der französische Dichter damit im Schreiben selbst kritisiert. Und wie ein Gelübde klingt es, wenn er gleich eingangs verspricht, keinesfalls „das Objekt meiner Wissbegier keinem Vorzeigen irgendeines gelegentlichen Wortfunds zu opfern, auch nicht dem Arrangieren einiger solcher Funde zu einem Poem“.

Dem entspricht Lampen durch eine Rücknahme alles Inszenatorischen: So scheint er nur diejenigen der Regieanweisungen, die er seinem Libretto mitgegeben hat, zu befolgen, hält er sich streng nur an jene, die einen Verzicht fordern: „wir brauchen keine virtuose Musik“. Es gibt ein paar Fauré-Akkorde. Es gibt ein wenig atmosphärisches Rauschen. Der Rest ist Sprache – im Raum gesprochen, glasklar intoniert von Sylvester Groth. Sperrig und faszinierend hört sich Ponges Dichtung, die gar nicht auf die Performance, die Phoné setzt, in Ulrich Lampens Arbeit an. Zwar gibt es einen Ursprung in der symbolistischen Dichtung – „die Pinien Ponges wurzeln bei Claudel“, schreibt Daniel Rondeau, aber eine symbolistische Deutung verbietet sich und das Vorhaben geht über den Hoffmannsthalschen Sprachekel weit hinaus: Möglicherweise lässt sich eine Verwandtschaft der Intention mit den Kritiken totalitärer Sprache bei Orwell, Huxley, Klemperer andeuten – bei gleichzeitig radikal eigenständigem, ganz anderem und poetologisch sehr tief begründeten Ansatz.

Die Jury spricht eine lobende Anerkennung im Sinne eines zweiten Preises aus für Soeren Voimas Hörstück „Ruf der Wildnis“/ NDR. Sie hebt besonders die gekonnt rhythmisierte Vortragsweise Nico Holonics hervor, die – unterstütz durch spannungsgeladene Komposition mit Benjo-Akkorden des Musikers Andreas Bick – den kapitalismuskritischen Abenteuerroman von Jack London als Versepos gesprochene Unterhaltung für die ganze Familie präsentiert.

 

Das Hörspiel wird am Samstag, den 3. November 2018 im Deutschlandfunk (DLF) wiederholt.

Die Nominierungen

BR, Jakob Nolte: Unbekannte Meister 4 – Eine Einführung in das Werk von Klara Khalil
DLF, Georg Klein: Bloß keine Angst – ein Glücksspiel
DLF Kultur, Michel Decar: Philipp Lahm
HR, Francis Ponge: Notizen vom Kiefernwald
MDR, keine Nominierung
NDR, Jack London: Ruf der Wildnis
RB, keine Nominierung
RBB, Pierre Boileau und Thomas Narcejac: Vertigo  – Aus dem Reich der  Toten
SR, keine Nominierung
SWR, Philipp Löhle: Bombenteppich
WDR, Edgar Linscheid, Stuart Kummer: Caiman Club

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