Gereimte Boulevardkomödie

Marc Carnal: Das Begräbnis

ORF Ö1, Sa, 06.05.2023, 14.00 bis 15.00 Uhr

Mit dem Stück „Die Hochzeit“ gewann Marc Carnal 2021 den Publikumspreis beim Österreichischen Hörspiel des Jahres. Jetzt legt er mit „Das Begräbnis“ nach – einer Boulevard-Komödie in Knittelversen und Kunstkopfstereophonie.

Es war die Corona-Zeit, als der in Wien lebende Schweizer Autor Marc Carnal sich daran machte, ein Hörspiel ganz in Paarreimen zu verfassen. Herausgekommen ist dabei die satirische Komödie „Die Hochzeit“, die bei der alljährlichen Hörspielgala im ORF 2021 mit dem Publikumspreis ausgezeichnet wurde.

Sein neues Stück „Das Begräbnis“ hat Carnal wieder mit Christoph Grissemann als Erzähler und demselben Ensemble (Michaela Bilgeri, Reinhold G. Moritz, Sarah Viktoria Frick und Martin Vischer, alle in mehreren Rollen) inszeniert. Und wieder besteht es ausschließlich aus paargereimten Knittelversen, die nach dem Schema aa / bb vor sich hinklappern. Zu hören sind sie in einem 57-minütigen Stereo-Downmix und in einer 60-minütigen räumlich-binauralen Version für Kopfhörer. „Das Begräbnis“ ist allerdings keine Fortsetzung von „Die Hochzeit“, sondern ein eigenes Stück, auch wenn Struktur und Machart dem Vorgängerstück zum Verwechseln ähnlich sehen.
In beiden Fällen geht es um hochritualisierte Ereignisse, die schon deswegen eine gewisse Fallhöhe und deshalb genug Potenzial für Komik beinhalten. War bei der „Hochzeit“ noch die abwesende Braut das unsichtbare Zentrum, so ist es beim „Begräbnis“ der vermeintliche Tote, der aus der Ferne seiner eigenen Beerdigung beiwohnt und davon die Verteilung seines Erbes abhängig macht.

Gereimt wird notfalls mit der Brechstange: „Schluss jetzt mit den blöden Zoten, Kiffen ist nun mal verboten“, weist die Nonne Schwester Edeltraut ein Pärchen der Trauergäste zurecht, nur um ihm dann Weihrauch anzubieten, der als der wahre „holy shit“ natürlich mehr knallt als das profane Haschisch. Da reimt sich der dichte Rauch schnell auf den Substanzmissbrauch.

Zwischendurch gibt es einen selbstironischen Hinweis auf den Unterschied zwischen Etikett und Etikette, über den man auch des Reimes wegen nicht hinwegsehen sollte. Für einen Lyrikwart wie einst Robert Gernhardt wären in dem Stück wenig Varianzen zu beobachten, ein paar Verssprünge (Enjambements) auch von Figur zu Figur und ein paar lange Endsilben, die auf kurze gereimt werden, das war’s im Wesentlichen schon. Schon bald nachdem im Barock der Knittelvers aufgekommen ist, diente er fast ausschließlich komischen Dichtungen, aber auch Goethe und Brecht haben sich dieser Versform bedient.

Doch ungewöhnliche Reimworte, die oft mit dem Wechsel der Sprachregister vom gehobenen zum niederen einhergehen, machen den Spaß an diesem Stück aus, das an seinen besten Stellen an Wilhelm Busch erinnert. Auch wenn einige Entscheidungen der Sprachregie darüber, welche Reime man ausstellt und über welche man hinwegspricht, wo man die Metrik betont und wo nicht, diskutabel sind.

Außerdem steht die Künstlichkeit der Sprache dem Realismus der Szenerie gegenüber, die in der binauralen Fassung den räumlichen Eindruck verstärken soll. Sonst sind Personal und Handlung an vielen Stelen so klischiert, wie es sich für eine Boulevard-Komödie gehört. Bis hin zum dem Messwein ausgesprochen zugetanen Pfarrer, der sich über seine Kollegen beschwert und dabei auch Themen wie Missbrauch nicht auslässt. Ironischerweise geht später ein Handyvideo viral, das den Pfarrer beim durchaus unschuldigen Versuch einer Mund-zu-Mundbeatmung zeigt „Da stürzt irgend so ein Pfaffe / sich wie ein verrückter Affe / auf ein Kind und stößt dem Jungen seine Zunge in die Lungen“.

Da ist außerdem die gierige Verwandtschaft, die tränenreich auf den Nachlass spekuliert, aber zugunsten der Zugehfrau enterbt worden ist, und schließlich ist da der noch lebende Erblasser, der am Schluss doch noch dran glauben muss. Und gesungen wird zwischendurch auch noch: von der bekifften Enkelin, einem Kirchenchor und schließlich – für die Fans von Marc Carnal – auch von der Trauergemeinde, die völlig besoffen den schon damals völlig unangemessenen Hit des Alleinunterhalters Heimo aus dem Vorgängerstück grölte: „Für eine Hochzeit braucht man Zweiiiii“.

Jochen Meißner – KNA Mediendienst, 06.05.2023

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