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Lars Henriks: Korridore. Mystery Horror-Serie (2. Staffel, 12 Episoden)
SWR, seit 08.03.2024 in der ARD-Audiothek
Vor zwölf Jahren sind sämtliche Mitarbeiter des Instituts für Paramediale Phänomene (IPP) verschwunden. In Lars Henriks komödiantischer Mystery-Serie „Korridore“ macht sich ein Filmstudent auf die Suche und entdeckt dabei allerlei aus der Schreckenskammer des Horror-Genres.
Nachdem der SWR-Intendant und ARD-Vorsitzende Kai Gniffke im Herbst 2022 einen Prüfauftrag für die Formate Gesundheit, Klima, Verbraucher und Hörspiel verkündet hatte, wurde zur Jahreswende die ARD Audiothek plötzlich mit Mystery-Serien-Podcasts überflutet. Als sollte damit nachträglich der Verdacht bestätigt werden, dass die Hörspielabteilungen der ARD eh alle dasselbe machten.
Vom Bayerischen Rundfunk war die in „Drei-???“-Ästhetik produzierte Serie „Mia Insomnia“ (10 Teile) von Gregor Schmalzried in Auftrag gegeben worden. Der NDR schickte den Schlaflabor-Horror „DreamLab“ (8 Teile) von Rhea Schmid und Thomas Kornmaie ins Rennen. Der WDR ließ erst einmal ausführliche Hörerforschung betreiben, bevor er mit dem aufwendigen 20-teiligen Internats-Mystery-Format „Forever Club“ von Jette Volland auf Youtube massiv hinter den Erwartungen zurückblieb.
Und weil auch in der Medienwelt – auch der öffentlich-rechtlichen – jedes tote Pferd solange geritten wird, bis auch der Letzte merkt, dass man damit nicht mehr vorwärtskommt, produziert man gerne noch zweite Staffeln des selbst ausgerufenen Mystery-Hypes. Und so eine zweite Staffel hat nun auch die vom SWR bei Moritz Haases Produktionsfirma „Guter Content“ in Auftrag gegebene 12-teilige Mystery-Serie „Korridore“ vom Lars Henriks, der auch Regie geführt hat, bekommen. Doch diese Serie war schon in der ersten Staffel eine Ausnahme. Denn im Gegensatz zu den anderen Formaten war ihr „production value“ eher gering. Keine Mood-Videos, keine aufwendigen akustischen Inszenierungen oder auch nur ein Ensemble, das über die drei Protagonisten hinausginge.
Paramediale Phänomene
Dafür gabt es hörbaren Spaß am Erzählen von Gruselgeschichten, die in einen komischen Rahmen gespannt waren. In Staffel 1 suchte die Polizistin Zoe Reinhardt (Nisan Arikan) nach dem verschwunden Filmstudenten Patrick Scheuermann (Maximilian Schimmelpfennig), der seinerseits auf der Suche nach seiner Mutter war. Diese verschwand zwölf Jahre zuvor zusammen mit der kompletten Belegschaft eines Instituts für Paramediale Phänomene (IPP). Im inzwischen leerstehenden Gebäude dieses IPP hat sich der Diamond-Shop eingemietet – eine Internetklitsche, die elektronischen Tand aus China vertickt, wie beispielsweise blinkende Grablichter für den trauernden Technikfreuend oder, als letzten Schrei, NFTs, jene schwer gehypten „Non-fungible Tokens“ , Blockchain-basierte digitale Besitzurkunden.
Diamond-Shop Geschäftsführer Thomas Eberle (Ulrich Bähnk) ist ein Dunning-Kruger-Effekt auf zwei Beinen, will heißen, sein Selbstbewusstsein steht im direkten Verhältnis zu seiner Inkompetenz, während die Selbstreflexion konstant bei Null liegt. Patrick verdingt sich als Werkstudent bei Eberle, um im IPP-Gebäude zu recherchieren und findet dabei die Aufzeichnungen seiner Mutter, die für das Institut Interviews mit jenen Leuten geführt hat, die von unheimlich Phänomenen betroffen waren.
Eine im brutalistischen Stil gebaute Hochhaussiedlung, in der blutige Morde stattfinden, kommt dabei ebenso vor, wie tödliches Mobbing oder die Vereinigung von Pilzen mit dem Internet. Dazu gesellt sich noch eine altägyptische Gottheit namens Nyarlathotep, die von der ebenso obskuren Sekte der Pythagoräer bekämpft wird. Diese Akten liest Patrick vor – und Zoe Reinhardt hört seine Sprachmemos im Rahmen eines digitalen Beweissicherungsverfahrens an. Einfacher kann man eine Hörspielserie kaum bauen. Umso mehr kommt es darauf an, dass sich der Spaß am Erzählen von Horrorgeschichten mitteilt.
Spaß und Werbung
Nicht zu unterschätzen war dabei die komische Rahmung der ersten Staffel, die oft mit einer Post-Credit-Szene gekrönt wurde. Werkstudent Patrick musste nämlich für den Diamond Shop Werbespots für die oft dysfunktionalen Produkte drehen – aber bitte nur im Büro. „Etwas anderes kriege ich versicherungstechnisch nicht hin“, sagt der kostenbewusste Chef Eberle. Aber viral gehen sollten die Spots natürlich trotzdem. Leider hat man das Konzept nicht konsequent durchgehalten, sondern sich nicht entblödet in zwei Episoden Crosspromotion für andere Mystery-Podcasts der ARD zu machen.
In der zweiten Staffel ist Schluss mit den Werbespots – wenn auch nicht mit den Szenen im Anschluss an den Abspann. In denen stirbt Thomas Eberle buchstäblich tausend Tode in immer anderen Settings, nachdem er in der letzten Episode der ersten Staffel dem Internet-Pilz zum Opfer gefallen war. Statt der „Wir-lesen-vor“-Ästhetik der ersten Staffel gibt es jetzt richtige Hörspielszenen, ja ganze akustische Schlachtengemälde. Denn Patrick und Zoe treiben sich in den Korridoren und Gängen unter dem IPP-Gebäude herum, das, wie könnte es anders sein, über einer antike Kultstätte errichtet wurde.
Neben dem hörbaren Spaß am Genre – Autor Lars Henriks ist auch am kleinen Hamburger Horror-Theater Antikyno engagiert – gibt es in „Korridore“ auch immer wieder Seitenhiebe auf die sich pilzartig verbreitenden Storytelling-Konventionen. In einer Folge stellt sich sogar eine ziemlich arrogante Figur als „Storyteller“ vor.
In der zweiten Staffel bekommt Nisan Arikans Figur der Kommissarin Zoe etwas mehr Farbe, während die komische Dimension von Ulrich Bähnk als Thomas Eberle etwas heruntergedimmt ist. Außerdem verfügt Maximilian Schimmelpfennig als Filmstudent Patrick über erstaunlich wenig Filmwissen. Das versetzt die Hörer der Serie in eine überlegene Position, schadet aber ein wenig der Glaubwürdigkeit der Figur.
Trotzdem ist „Korridore“ weiterhin ziemlich guter Content und ziemlich gute Unterhaltung. Und das nicht nur für Nerds, die die genrekulturellen Anspielungen zuordnen können. Eine Serie, die man wegen ihrer Struktur in Einzelepisoden nicht „durchbingen“ muss, sondern am besten wohldosiert genießt. Und vor allem ist „Korridore“ eine Serie, bei der man merkt, dass sie nicht auf dem Reißbrett der Hörerforschung entstanden ist, um neue Milieus zu erschließen. Dazu ist die Zielgruppe wahrscheinlich zu spitz. Aber wer einmal in dieses Rabbithole gefallen ist, wird sich daraus nicht so schnell befreien wollen.
Jochen Meißner – KNA Mediendienst, 21.03.2024
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