Untenrum klebrig
Kleine Radiovorschau. 10. bis 16. August 2012
Bekanntlich leitet sich »Kunst« nur selten von »Können« ab. In Thomas Bernhards Roman »Holzfällen (Der Auftritt des Burgschauspielers)« hat der Begriff eher etwas mit Kunsthonig zu tun. Zähflüssig ist auch die Atmosphäre beim Essen mit den Auersbergers. In deren unsympathischer Gesellschaft wartet der schriftstellernde Erzähler auf einen ebenso abstoßenden wie berühmten Burgschauspieler. Dabei dreht sich alles um das Leben als Theater. Der Roman löste bei Erscheinen 1984 einen kleinen Skandal aus, weil sich ein früherer Freund von Bernhard in einer Romanfigur wiederzuerkennen glaubte und per einstweiliger Verfügung das Buch aus dem Handel entfernen ließ. 2004 machte Ulrich Gerhardt aus dem Roman ein Hörspiel mit zehn jungen Schauspielern (Sa., 14 Uhr, Ö1).Nicht weniger gekünstelt geht es bei den Maskes zu, einer bürgerlichen Familie mit einem sprechenden Namen, über die Carl Sternheim drei Stücke schrieb. Das erste, »Die Hose« (1910), zielt unter anderem dahin, wo es dem Spießbürger am unheimlichsten ist: untenrum. Der Beamte Theobald Maske ist sehr beunruhigt über das Verhältnis zwischen seiner Ehefrau und den zwei Untermietern des Hauses, zumal ein Stück Damenunterwäsche aufgefunden wurde. 1964 machte Rudolf Noelte daraus ein Hörspiel für den BR. Es läuft am Samstag auf BR2 um 15 Uhr. Sternheims Texte waren sowohl im Kaiserreich als auch bei den Nazis verboten. Letztere druckten auch keine Werke von Hermann Hesse, dessen 50. Todestag sich am Donnerstag jährte. Der 1877 in Calw bei Stuttgart geborene spätere Literaturnobelpreisträger wuchs in einer pietistischen Missionarsfamilie auf, im Spannungsfeld zwischen untilgbaren Schuldkomplexen und entrückt apokalyptischen Freudenjauchzern. Welche Einflüsse das auf eine »Kinderseele« hat, beschrieb Hesse 1920 in seiner stark autobiographischen, gleichnamigen Erzählung. Andrea Leclerque hat daraus ein Hörspiel gemacht, die Ursendung bringt SWR 4 am Samstag um 21 Uhr.
»Schönsprech« heißt das neue Feature von Christoph Spittler. Natürlich können auch Stimmen gephotoshopt und weichgespült werden. Das Ergebnis ist ein Gewaber sedierender Töne in Werbung und Film, Fernsehen und Radio. Man bemerkt diese ästhetische Gleichschaltung beispielsweise, wenn Lana Del Rey mal wieder die Kate-Bush-Kopie gibt (So., 20 Uhr, DLF).
Und zu guter Letzt noch mal der Kunsthonig, der bei Dieter Roth zu Schnaps geworden ist. Für seine »Radiosonate Nr. 1« improvisierte der Aktionskünstler 1976 eine Dreiviertelstunde am Klavier, trank eine Flasche Whiskey leer, redete mit sich und dem Tontechniker und nahm das alles auf. Wird am Sonntag um 22 Uhr im Rahmen des ARD-Radiofestivals von den Kulturwellen der ARD gesendet. Ein sehr überzeugendes Stück Drink art.
Rafik Will, 10.8.2012 junge Welt
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