Sich selbst genug

Klaus Buhlert: absolute zero!

DLF, Sa, 14.09.2024, 20.05 bis 20.55 Uhr
DLF Kultur So, 15.09.2024, 18.30 bis 19.20 Uhr

Der isolierte Raum eines Hörspielstudios, dessen Sendekabel nach draußen gekappt ist: Autor Klaus Buhlert verharrt mit „absolute zero!“ im Schneckengang des schalltoten Raumes. Aber vielleicht ist draußen ja auch nichts mehr.

Ein Hörspielstudio ist schon per Definition ein isolierter Raum. Eine Umhausung, die manchmal auch noch zusätzlich einen bisweilen schneckenförmigen, reflexionsarmen Raum, den sogenannten schalltoten Raum, enthält. Hier wird produziert, was später in aller Opulenz über den Sender geht, damit es die Hörräume des Publikums beschallt – oder auch nur dessen kopfhörerabgeschirmte Ohren.

Klaus Buhlert begibt sich mit seinem neuen 50-minütigen Hörspiel „absolute zero!“ an einen Nullpunkt des Radios. Denn sein Hörspielstudio ist ein imaginärer Ort: „Hier werden Sendungen produziert, die keiner mehr hören wird, Wahrheiten aufgezeichnet, die niemals das Ohr eines Hörers erreichen können. Das Sendekabel liegt abgeschnitten draußen vor der Studiotür“, wird das Stück eingeleitet. Was im Studio drin ist, ist in den Köpfen der Protagonisten und vor allem in dem des Autors und Regisseurs Klaus Buhlert – und das ist nicht wenig.

In insgesamt 14 Abschnitten kommt Tyrone Slothorp aus Thomas Pynchons Mammutwerk „Die Enden der Parabel“ („Gravity’s Rainbow“) vor, das Buhlert 2020 zu einem 14-stündigen Hörspiel verarbeitet hat. Ebenfalls dabei ist Vernon Subutex, Held der Romantrilogie von Virginie Despentes. William S. Burroughs, Meister der mehr oder weniger zufälligen „Cut-up“-Schnitttechnik, steht Pate und Bankräuber John Dillinger wohnt neben dem Klangpionier der musique d’ameublement, Eric Satie.

Los geht es allerdings mit dem Hit „Let’s do it“. Bibiana Beglau, Jens Harzer, Wolfram Koch, Franz Pätzold, Stefan Wilkening und Graham F. Valentine, die schon im Pynchon-Projekt dabei waren, sprechen hier den Cole-Porter-Song aus dem Jahr 1928 auf eine Weise, die der Vorlage jede frivole Leichtigkeit austreibt. Der Text ist eingedeutscht – nie hatte dieses Verb mehr Berechtigung als hier. Wo es im Englischen „even educated fleas“ getan haben, tun es bei Buhlert die Ostseequallen vor Rügen. Darunter hüpft ein schneller Basslauf, Schlagzeug und Saxofon von Buhlerts „Another plus“-Band tun das ihre, um insgesamt drei Mal im Hörspiel komplett unsinnlich zu körperlicher Ertüchtigung zu animieren.

Der Reigen der Bezüge dreht sich vom postmodernen „anything goes“ zu einem „absolute zero“, an dem sich nichts mehr bewegt. Denn irgendwann gehen die Referenzen im Rauschen unter. „Wir oder wirr … ruff stuff oder nur verdreht?“, heißt denn auch der 13. Abschnitt des Hörspiels und man fragt sich, ob der abgeschlossene „körperlose Raum“ (was soll das sein?) des Tonstudios nicht zu gut isoliert ist und ein allzu selbstgenügsames Stück hervorgebracht hat.

Ein Stück, das nirgendwo hin will und aus dem Schneckengang des schalltoten Raums nicht herausfindet. Vielleicht ist da ja auch nichts mehr: „Jeder spricht über eine Welt, die es nicht mehr gibt. So als gäbe sie es noch …“ Warum sollte die auch jemanden interessieren.

Jochen Meißner, KNA Mediendienst, 20.09.2024

 

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