Narrative der Vertuschung

Ein Journalist reist nach Afghanistan, um einen Luftangriff mit zivilen Opfern zu untersuchen. Das zweiteilige Hörspiel „Wer die Hunde weckt“ verwebt Fakten und Fiktion zu einem fesselnden Politthriller.

Achim Zons: Wer die Hunde weckt

DLF Kultur, Mo, 20. und 27.10.2025, 22.05 bis 23.00 Uhr

Drei Sätze und man weiß sofort, in welcher Welt man sich befindet: „Bist du verletzt? – Ja. – An einem Teil deines Körpers, den du für deine Arbeit brauchst?“. Die beiden Fragen stellt aber nicht etwa ein Geheimdienstchef seinem Agenten, sondern die Chefredakteurin der fiktiven „Deutschen Allgemeinen Zeitung (DAZ)“ ihrem Auslandskorrespondenten, nachdem der in Hongkong nur knapp ein Attentat überlebt hat. Seine Informantin, eine CIA-Agentin, ist dabei ums Leben gekommen. In Achim Zons Politthriller „Wer die Hunde weckt“ ist das aber lediglich der Ausgangspunkt, der den Journalisten David Jakubowicz auf eigene Faust zurück nach Afghanistan führen wird, wo sein Kontaktmann von den Taliban entführt wurde.

„Dieses Stück basiert auf der Realität des Lebens, aber es ist Fiktion. Fiktiv in jeder Figur“, lautet der etwas ungelenke Vorspruch zur von Regisseur Ulrich Lampen bearbeiteten zweiteiligen Hörspielfassung von Achim Zons Erstlingsroman aus dem Jahr 2017. Zons, der dreißig Jahre lang bei der „Süddeutschen Zeitung“ gearbeitet hat, lässt seinen Protagonisten, Jakubowicz (Sebastian Blomberg), einen erfahrenen Kriegsreporter Mitte 50, die Hintergründe der Bombardierung eines Transporters mit 20 Waisenkindern an Bord am afghanischen Fluss Taloqan recherchieren. Den Befehl zur Bombardierung hatte ein deutscher Oberst gegeben, Warum dieser zwei 500-Pfund-Bomben einsetzen ließ und dafür 800.000 Dollar erhielt, will Jakubowicz herausfinden.

Zwei bombardierte Tanklastzüge

Hintergrund des Romans ist die Bombardierung zweier Tanklastzüge am Fluss Kundus am 4. September 2009, bei dem etwa 100 Zivilisten ums Leben kamen. Doch anders als Zons Oberst Gert Westphal, der mit seiner Schuld nicht fertig wird und dem deshalb der deutsche Geheimdienst nach dem Leben trachtet, ist der reale Oberst Georg Klein freigesprochen und zum Brigadegeneral befördert worden. Und natürlich sind die zwanzig getöteten Kinder im Roman kein tragischer Kollateralschaden, sondern kalkulierte Opfer eines zynischen Plans, in dessen Zentrum zwei hochrangige Taliban und US-amerikanische Interessen standen.

Ulrich Lampen hat seine Hörspielfassung des actiongeladenen Thrillers mit sorgfältigem Sounddesign sehr filmisch inszeniert, und was sich sonst als Bauchbinde durchs Bild zieht, rattert hier durch die Tonspur. Auch daran merkt man, dass es sich nicht um ein Originalhörspiel, sondern um eine Romanbearbeitung handelt.

Realität und Fiktion

Figuren durch ein paar Zeilen Dialog zu etablieren – wie es etwa die BBC in ihren Produktionen meisterhaft beherrscht – gelingt hier nur bedingt, unter anderem, weil es einfach zu viele Charaktere sind. Außerdem muss die Handlung thrillertypisch ein paar Pirouetten drehen. Lampen reichert Zons Romanhandlung immer wieder mit O-Tönen aus den Nachrichten über die realen Ereignisse vom 2009 an und blendet so Realität und Fiktion ineinander.

Im Subtext geht es um die Narrative, mit denen die Welt beschrieben wird – und wer sie nach welchen Interessen formen will. Und damit kommt auch eine mediale Dimension ins Spiel. Denn in einer Parallelhandlung geht es um die Zukunft von Jakubowicz‘ „Deutscher Allgemeiner Zeitung“, die an einen 81-jährigen Verleger namens Lorenz Gottwaldt (Gerd Wameling) verkauft worden ist. Dem reicht die bislang erzielte Rendite nicht, weshalb er den Kurs des Blattes kurzerhand in Richtung Populismus dreht.

Keine guten Nachrichten für die Chefredakteurin Helen Christensen (Jenny Schily), die die Glaubwürdigkeit ihres Blattes schützen will, während sich Alexander Khan (Peter Jordan), der sich Hoffnungen auf ihren Stellvertreterposten macht, mit dem Kurs des neuen Verlegers anfreunden kann. Mit welchem Dreh soll nun die Geschichte veröffentlicht werden? Welchen „Spin“ soll man ihr geben? Mit „Wer die Hunde weckt“ ist Regisseur Ulrich Lampen ein unterhaltsames, klug montiertes Hörspiel gelungen, das aus der Innensicht eines Skandals erzählt.

Jochen Meißner – KNA Mediendienst, 23.10.2025

 

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