Mit kleiner Münze

Das feministische Kollektiv „Frauen und Fiktion“ gibt im Hörspiel „Hallo, ich bin Geld“ dem Geld eine Stimme. Mit Songs, Szenen und Expertenwissen zeigt es, wie Geld funktioniert und wie es neu gedacht werden könnte – inspiriert von Carmen Losmanns Film „Oeconomia“.

Frauen und Fiktion: Hallo, ich bin Geld

DLF Kultur, 02.01.2024, 22.03 bis 23.00 Uhr

Was heißt es eigentlich, nicht gelernt zu haben mit Ökonomie umzugehen? Was heißt es eigentlich sich ständig Kräften auszusetzen, die man nicht versteht? Menschen, die ökonomisch unfrei sind, sind selbstverständlich auch sonst unfrei“, sagt der Wirtschaftsjournalist Wolf Lotter, damals noch ‚Chefideologe’ des Wirtschaftsmagazins „brand eins“ in Stefan Weigls Hörspiel „Stripped – ein Leben in Kontoauszügen“. Das feministische Performance-Kollektiv „Frauen und Fiktion“ nimmt ihr ihrem 60-minütigen Hörspiel „Hallo, ich bin Geld“ Lotters aufklärerischen Impuls auf und dem Geld selbst eine Stimme.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Anja Kerschkewicz und Eva Kessler, die Hälfte des vierköpfigen Kollektivs „Frauen und Fiktion“, sich mit Geld beschäftigen. Bereits in ihrem Podcast „Cash Club – Wir reden über Geld“ aus dem Jahr 2023 haben sie sich in Interviews mit Finanz- und Alltagsexperten aus feministischer Perspektive mit dem Thema Geld auseinandergesetzt. Ihr Hörspiel „Hallo, ich bin Geld“ stützt sich vor allem auf die Expertise der Filmemacherin Carmen Losmann, deren mehrfach preisgekrönter Dokumentarfilm „Oeconomia“ aus dem Jahr 2020 hörbar Pate gestanden hat und die auch selbst zu Wort kommt. Außerdem sind die Geldtheoretikerin Samirah Kenawi, die Politikwissenschaftlerin Joan Tronto und die Soziologin Anna Saave zu hören.

Sounds like Schulfunk

Vor allem aber hört man die Stimme des Geldes (Charlotte Pfeifer), die ziemlich aufgedreht unbedingt von sich erzählen will. Dabei weiß sie gar nicht so viel über ihre Entstehung, ihrer Geschichte und ihren unterschiedlichen Funktionen. In ihrer Bubble wird darüber nicht so oft geredet, und wie man aus dem Film von Carmen Losmann weiß, wissen auch die, die mit Geld umgehen, nicht unbedingt, was sie tun. Müssen sie auch nicht, solange sie das System am Laufen halten.

Die Autorinnen schicken ihre Protagonistin Geld – einen bestimmten Artikel wollten sich die Autorinnen offenbar nicht leisten, und auch die Phänomene „Care“ und „Natur“ müssen ohne grammatikalisches Geschlecht auskommen – an den Strand, in die Natur, in einen Traum und schließlich in ein Tonstudio. Dazwischen gibt es immer wieder mit viel Autotune angereicherte Songs zum Thema und man fühlt sich ein bisschen an das politische Kabarett früherer Zeiten erinnert – jedenfalls bis man merkt, dass der formale Referenzrahmen ziemlich genau dem eines Schulfunk-Kinderhörspiels entspricht, in dem dem Nachwuchs etwas beigebracht werden soll, ohne dass der es merkt.

Wie Geld verschwindet

Das Geld wird durch Kreditvergabe geschöpft, die Wirtschaftswachstum ermöglicht, was die Voraussetzung für weitere Kreditvergabe ist – ein zirkulärer Zusammenhang. Mit jedem Kredit, der neu vergeben wird, wächst die Geldmenge, und das Geld verschwindet wieder, wenn die Schulden zurückgezahlt werden. Anja Kerschkewicz und Eva Kessler bringen ein leider nicht weiter belegtes Beispiel für verschwindendes Geld aus dem New York des 18. Jahrhunderts: Um sauberes Wasser in die Stadt zu bringen, wurde das benötigte Geld für eine dampfbetriebene Pumpe und die Infrastruktur einfach als „Wasserwerk-Geld“ gedruckt. Diese Währung wurde akzeptiert, weil man mit ihr seine Steuern bezahlen konnte. Kaum war das Geld da, wurde das Wasserwerk gebaut und als es fertig war, wurde das Wasserwerk-Geld buchstäblich verbrannt – es hatte seine Funktion erfüllt. Da Geld im Kapitalismus aber nicht nur fließt, sondern gehortet wird und es sich in Derivaten und Finanzprodukten gerne mit sich selbst beschäftigt, konnte es seine Funktion nicht mehr erfüllen, wie man in der Finanzkrise von 2008 gesehen hat.

Am Ende des Hörspiels formuliert „Geld“ im Hörspielstudio selbst eine Abhängigkeitserklärung (und eben keine Unabhängigkeitserklärung). Denn das Geld soll neu designt werden und nicht mehr im Sinne der Geschäftsbanken als „Geld heckendes Geld“ (Karl Marx) produktiv sondern reproduktiv sein. Will heißen, es sollte Care-Arbeit und öffentliche Infrastrukturen finanzieren und seine Kosten nicht mehr der Natur in Rechnung zu stellen können.

Bis die Autorinnen jedoch ihre Schlussfolgerungen präsentieren, muss man allerdings in Kauf nehmen, dass die Figur des Geldes ziemlich naiv daherkommt und nur in kleiner Münze auszahlt, was Carmen Losmann in ihrem Film „Oeconomia“ in großem Bogen auserzählt hat (der Film ist in der 3sat-Mediathek verfügbar). Auch dort werden auf den ersten Blick einfache Fragen gestellt, auf die hochvermögende Akteure kaum Antworten wissen und oft die Leerformel von „zu großer Komplexität“ als Ausrede benutzen. Einfache Fragen zu stellen ist aber ebenso eine Kunst wie Dinge so einfach wie möglich darzustellen. Bei „Hallo, ich bin Geld“ hat man manchmal den Eindruck, dass man es sich doch etwas zu einfach gemacht hat.

Jochen Meißner – KNA Mediendienst, 07.01.2025

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