max15-Preis 2024 für „Das normale Haus“ von Lars Werner
Am 10. November wurde im Karlsruher Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) im Rahmen der 20. ARD-Hörspieltage der mit 1000 Euro dotierte max15-Preis für maximal 15-minütige Stücke aus der freien Szene an das Hörspiel „Das normale Haus“ von Lars Werner vergeben. Es spielt im Writersroom einer St. Petersburger Trollfabrik, in der an der größten Show aller Zeiten gearbeitet wird: „Das Ende des Westens“.
Aus den mehr als 120 engereichten Stücken ermittelte eine siebenköpfige Jury von ARD, Deutschlandradio, ORF, SRF und ZKM anonymisiert eine Shortlist aus fünf Stücken. Neben dem Gwinnerstück waren das „You cannot win against the Zeitgeist – eine Gewaltphantasie“ von Simone Hundrieser, „zwangsläufig“ von Simon Scharinger, „Die Gleichzeitigkeit des Seins“ von Christian Leitschuh und „Weihnachten im Deutschlandfunk“ von Carsten Schneider.
Lars Werner: Das normale Haus
Mit: Mariann Yar, Lea Ostrovskiy, Franziskus Claus
Musik & Sounddesign: Friedrich Byusa Blam
Ton: Friedrich Byusa Blam, OG12 Studios
Regie: Lars Werner
Die Begründung der Jury
Das Gewinnerstück ist ein atemloses Stück Erzählkunst. Zwei Erzählerinnen reißen uns mit in einen Strudel aus parallelen Ebenen, verwinkelten Anspielungen, einflussreichen Verschwörungserzählungen und ihrer Dekonstruktion. Beschleunigung, Vollbremsung, Zeitsprung: Es werden in 15 Minuten so viele Weltentwürfe etabliert und wieder in Frage gestellt, in die eine Richtung angedeutet und in die andere gedreht, dass man kaum glaubt, nur 15 Minuten gehört zu haben. „Das normale Haus“ ist ein selbstreflexives Hörspiel, welches das Schreiben von Erzählungen und ihre Wirkung ständig befragt und die Mechanismen der politischen Einflussnahme durch Desinformation von außen und innen zugleich beleuchtet. Die Frage „Was ist wahr?“ wird in diesem Hörspiel nicht bloß thematisiert, sie wird performativ. Der akrobatische Umgang mit Erzähltechniken ist nicht bloß auf einen Effekt aus, sondern reflektiert ganz praktisch die Machart von Verschwörungserzählungen. In diesem Hörspiel entdeckt man auch beim dritten und vierten Hören immer wieder etwas Neues. Es fordert die Hörer:in heraus, stellt Bestehendes in Frage und weckt das Bedürfnis nach eigener Recherche. Am Ende des Hörspiels wird angedeutet, dass die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz jede Art von Gegenrede in den Schatten stellen kann. Alles, was geschrieben wird, ist nur weiteres Material, mit der die KI trainiert wird. Zugleich lässt Lars Werner uns hoffen, dass ein künstlerisches Hörspiel, das uns angriffslustig herausfordert, doch wenigstens einen Gegenpol zur Desinformation aufzeigen kann, von dem aus wir uns gemeinsam zu einer Gegenstrategie aufmachen können. Denn seine Twists evozieren häufig eine doppelte Erkenntnis: Ja, vielleicht ist alles fake. Aber nein, es ist nicht alles verloren. Dieses kluge und vielschichtige Hörspiel über Wahrheit, Fake und den Kampf um’s Narrativ im Zeitalter von Hate Speech und Desinformation hat die Jury überzeugt. „Das normale Haus“ von Lars Werner erhält den Hörspielpreis „max15“ für das beste Kurzhörspiel der freien Szene 2024.
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