Hörspiel des Monats Oktober 2019

Aufzeichnungen aus dem Irrenhaus

von Christine Lavant
Bearbeitung und Regie: Peter Rosmanith
Komposition: Franz Hautzinger, Matthias Loibner und Peter Rosmanith
Produktion: Autorenproduktion im Auftrag des ORF
Länge: 53:01
Erstsendung: ORF Ö 1, 05.10.2019, 14.00 Uhr

Die Begründung der Jury

Peter Rosmaniths Hörspielfassung von Christine Lavants „Aufzeichnungen aus dem Irrenhaus“ (ORF 2019) besitzt die Intensität eines Kammerspiels in besonderem Maße: Es inszeniert die subjektiv verstörende Perspektive einer suizidgefährdeten Zwanzigjährigen auf den stationären Aufenthalt in der „Landesirrenanstalt Klagenfurt“ Mitte der 1930er Jahre. Zugleich dokumentiert bereits der poetisch-metaphorische Ausgangstext von Lavant die bedrückende Atmosphäre in einer der Psychiatrien, die später institutionell an der Vorbereitung der Euthanasie-Gräuel beteiligt waren. Konzentriert auf die Sicht der Insassin einer Kranken- und Heilanstalt erzählt dieses Hörspiel auch von deren manischer Verliebtheit, die durch das Abhängigkeitsverhältnis vom ärztlichen Therapeuten einen Missbrauch forciert.

Diese komplexe Geschichte wird stimmlich geradezu hypnotisierend umgesetzt von der mehrfach ausgezeichneten Südtiroler Schauspielerin Gerti Drassl. Die nüchterne, hierarchisch organisierte Zwangsexistenz, explizit die Unterdrückungsmechanismen in einer psychiatrischen Verwahranstalt, werden durch die Kraft der Poesie im Kontrast zur scharfen Situationsanalyse artikuliert. Hin- und hergerissen zwischen Lavants Gefahr der Selbstauflösung und ihrem Versuch, sich aus dem Tunnel des inneren Schreckens zu befreien, hinterlässt das Hörspiel ein geradezu erschütterndes Stimmungsbild. Verstärkt wird dieses zum empathischen Hören einladende Setting durch die gegenseitige Durchdringung der Text- und Musik-Bereiche (Instant Composings / „Improvisationen aus dem Augenblick heraus“). Dadurch wird die Atmosphäre der Bedrohung, Demütigung und existentiellen Verunsicherung der Protagonistin beispielhaft inszeniert. Text und Musik (von Franz Hautzinger, Matthias Loibner und Peter Rosmanith) begegnen sich auf dieser Ebene völlig gleichberechtigt.

Die Sendung wird am 04.01.2020 um 20.05 Uhr im Deutschlandfunk (DLF) wiederholt.

Die Nominierungen

BR, Joël László: Ante oder der Thunfisch
DLF, Branko Janack: Der Schlaf der Erinnyen
DLF Kultur, Wolfgang Hilbig: Territorien
HR, Christopher Isherwood: Leb wohl, Berlin
MDR, Philipp Löhle: Am Rand
NDR, Susanne Sachsse: Original Sin. Der Gang der Frau im Sozialismus
RB, John von Düffel: KL – Gespräch über die Unsterblichkeit
RBB, Tim Staffel: Dope!
SR, keine Nominierung
SWR, Noam Brusilovsky / Ofer Waldman: We love Israel (Staffel 2)
WDR, Izzeldin Abuelaish: Ich werde nicht hassen
ORF, Christine Lavant: Aufzeichnungen aus dem Irrenhaus
SRF, David Zane Mairowitz: TKO

 

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