Hörspiel des Monats November 2019
Teure Schwalben
von Irmgard Maenner
Regie: Heike Tauch
Komposition: Janko Hanushevsky
Redaktion: Stefanie Hoster
Produktion: DLF Kultur
Länge: 56:22
Ursendung: DLF Kultur, 20.11.2019, 22.03 Uhr
Die Begründung der Jury
Das Hörspiel „Teure Schwalben“ (Dlf Kultur 2019) von Irmgard Maenner gestaltet die Geschichte der letzten Lebensphase einer 80 Jahre alten, an Demenz erkrankten Frau auf höchst innovative Weise: die allmählichen Wandlungsprozesse, den schleichenden Verfall an Bewusstheit und die einerseits ängstlichen, bisweilen aber auch humorvoll-offenen, ja affirmativ wirkenden Reaktionen der Umgebung auf diese Entwicklungen. Dem hält das Hörspiel – vorrangig dank der herausragenden Schauspielerin Irm Hermann – Facetten von Komik und Humor entgegen: Gesellschaftliche Normen und Schranken fallen als Folge von Krankheit und Pflegeheimeinweisung, dabei verwischen die Grenzen der Konventionen. Mit Bewunderung verfolgt man die spitzbübischen Eskapaden und makabren Geschehnisse um Heimflucht und Zaunüberwindung, die zeigen, dass Demenz einen fast bewundernswerten Fantasieraum eröffnen kann.
Unter der Regie von Heike Tauch beschreibt dieses Hörspiel die Neudefinition des Seins infolge einer Erkrankung, angereichert durch klug montierte Erinnerungsfragmente und neu servierte Kindheitserinnerungen. Herausragend wirken die inszenatorischen Gestaltungsmittel, Musik und Sounds sind in der Komposition von Janko Hanushevsky prägnant, sparsam und zugleich effektiv eingesetzt. Die Darstellungsweise von „Teure Schwalben“ setzt dem „Honig im Kopf“ die „flatternden Schwalben“ so kunstvoll dargeboten entgegen, dass die eskapistischen Ebenen der Demenz nahezu positiv konnotiert wirken. Bis hin zu den neologistisch anmutenden „Hutschwalben“ als Fantasiereservoir inszeniert Heike Tauch einen ästhetisch höchsten Kunstgenuss: Der Transfer von Erlebtem zu willkürlich Fantasiertem im Kopf der Hauptfigur ist großartig in Szene gesetzt.
Eine lobende Erwähnung spricht die Jury für das Hörspiel „Wild ist scheu“ (SWR 2019) von Karen Köhler aus. Durch den Tod des Partners aus allen Lebensbezügen herausgefallen, zieht sich eine Frau (beeindruckend gespielt von Leonie Benesch) in die Waldeinsamkeit zurück. Die Trauer der Hauptfigur wird durch starke Naturmetaphern und die Zivilisationsflucht in den Wald als mythologischem Ort empathisch spürbar, nicht zuletzt dank des berührenden, poetisch-zarten Textes.
Die Sendung wird am 01.02.2020 um 20.05 Uhr im Deutschlandfunk (DLF) wiederholt.
Die Nominierungen
BR, Thomas Meinecke: Der Tod kommt auf einem bleichen Pferd
DLF, Jürgen Becker / Karl-Heinz Stevens: Die Stadt und die Stimmen
DLF Kultur, Irmgard Maenner: Teure Schwalben
HR, Jan Peter Bremer: Der kurze Weg
MDR, Holger Böhme: Die Entgiftung des Mannes
NDR, Thomas Fritz: Toter Winkel
RB, Ben Safier: Das letzte Bier war schlecht
RBB, Tom Peuckert: Die Jahre aus Gold und Eis
SR, keine Nominierung
SWR, Karen Köhler: Wild ist scheu
WDR, Volkan T. Error: Black Metal Muslim
ORF, Josef Winkler: Lass dich heimgeigen, Vater
SRF, Beatrice Fleischlin: Triptychon eines seltsamen Gefühls
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