Hörspiel des Monats April 2016
Tower of Babel
von Robert Wilson
Regie: Robert Wilson
Musik: Dom Bouffard & Hal Willner
Dramaturgie: Ursula Ruppel
Produktion: hr/BBC/NDR/rbb/SWR
Erstsendung: hr2-kultur, 3. April 2016, 14:05 Uhr
Länge: 71:04
Begründung der Jury
Im Rahmen seines groß angelegten fabelhaften Bibelprojekts hat der Hessische Rundfunk auch den Theatermacher Robert Wilson dazu gewinnen können, sich mit einem Psalm aus dem Alten Testament auseinanderzusetzen. „The Tower of Babel“ bezieht sich auf nicht mehr als zehn Verszeilen, die die Bestrafung der Menschen ihrer Hybris wegen zum Inhalt haben. Robert Wilsons zweites Hörspiel kündet indes weniger vom göttlichen Strafgericht als von der Lust an babylonischer Sprachverwirrung: Es collagiert vielsprachiges Material aus unterschiedlichen Epochen der Kultur- und Theatergeschichte dergestalt, dass weite Assoziationsräume geöffnet werden, die nicht auf der hermeneutischen, sondern allein auf der klanglichen Ebene funktionieren. In den von großartigen Schauspielern wie Edith Clever, Stefan Kurt, Cécile Brune und Fiona Shaw in des Wortes eigentlicher Bedeutung artikulierten Texte kostet der Regisseur die musikalische Sinnlichkeit der jeweiligen (Literatur-)Sprache von Aischylos über Shakespeare bis zu Heiner Müller aus und reflektiert dabei auch über sein seit vier Jahrzehnten auf internationalen Bühnen inszeniertes eigenes Werk. Paradox genug: Während Wilson in seinen theatralen Arbeiten auf Sprache weitgehend verzichtet, verlässt sich der ehemalige Architekt hier allein auf akustisch erzeugte imaginäre Räume. Als Hörspielmacher agiert er dabei so suggestiv wie als Theatermacher. Dazu trägt auch sein Konzept bei, die durch den Text evozierten Bedeutungsräume mit einer spezifischen Musik zu konnotieren. Dieses Verfahren ermöglicht es ihm, in hoher Geschwindigkeit zwischen verschiedenen Ebenen zu wechseln, ohne die Orientierung zu verlieren. Durch die Symbiose von Musik- und Stimmenklang erreicht „Tower of Babel“ eine geradezu magische Wirkung.
Das Hörspiel wird am 2. Juli 2016 im Deutschlandfunk (DLF) wiederholt.
Die Nominierungen
BR, Theodor W. Adorno: Traumprotokolle
DLF, Roland E. Koch: Alleestraße
HR, Robert Wilson: Tower of Babel
MDR, Volker Braun: Die Putzfrauen
NDR, Jean-Philippe Blondel: Zweiundzwanzig
RB, Die Geschichte meines Lebens. Die Tagebücher des Ferdinand Benekes 2. Teil: Die Jahre 1794 bis Anfang 1796
RBB, Ferdinand Schmalz: der herzerlfresser
SR, Jean-François Guilbeault, Andréanne Joubert: Unter Wasser
SWR, Björn SC Deigner: zusammen zittern
WDR, Jens Rachut: Hexensucht
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