Hör! Spiel! Festival 2020 in Wien
Ab dem 1. März findet in der Alten Schmiede (Schönlaterngasse 9, A-1010 Wien) zum 5. Mal das Hör! Spiel! Festival statt, das in seinen ersten drei Auflagen unter dem Titel „Horchposten“ stattfand.
»Hörspiel ist ein doppelter Imperativ« (Ernst Jandl und Friederike Mayröcker). Dieses Postulat einer spielerischen und forschenden Hörspielpraxis nimmt das Hör! Spiel! Festival beim Wort und stellt Hörstücke vor, die das Akustische literarisch und Literatur akustisch erkunden. Die sonntäglichen Vorspiele (1. & 8.3.) laden ein, gemeinsam Werke in ganzer Länge zu hören und mehrere Arbeiten der beteiligten AutorInnen kennen zu lernen. An vier Abenden stehen die Uraufführung eines Live-Hörstücks (3.3.), Präsentationen zweier radiophiler Initiativen außerhalb der Sender sowie neuerer Hörstücke österreichischer AutorInnen (5. & 10.3.) und das Porträt einer besonders produktiven Zusammenarbeit zwischen Autor und Regisseurin auf dem Programm (12.3.).
Annalena Stabauer
Konzeption und Moderationen
S0 01.03.20
15.00 Vorspiel 1
Natascha Gangl / Rdeča Raketa: Wendy Pferd Tod Mexiko
Eigenproduktion 2018, 54 min
16.00 Dieter Sperl: Wer bist du?
ORF 2015, 57 min
17.00 Petra Ganglbauer / Sophie Reyer: So sein – Selbst so
ORF 2015, 48 min
Di 03.03.20
19.00 Live-Hörstück (UA) & Gespräch
Natascha Gangl / Rdeča Raketa / Billy Roisz:
Die Revanche der Schlangenfrau – Ein Klangcomic frei nach Unica Zürn
In den Klangcomics von Gangl / Osojnik / Schellander fügen sich Stimmen und Elektroakustik zu Sequenzen atmosphärisch dichter Klangbilder zusammen. Es sind für sich genommen kleine Erzählungen, die vom Song bis zur Szene die unterschiedlichsten Gestalten annehmen können und nicht der Linearität einer Geschichte, sondern der Assoziationstätigkeit und Imagination verpflichtet sind. Mit der Videokünstlerin Billy Roisz wird der Comic ins Visuelle erweitert. Die Revanche der Schlangenfrau ist eine Auseinandersetzung mit der Schriftstellerin und Zeichnerin Unica Zürn (*1916 in Berlin, †1970 in Paris), deren Werk – insbesondere die virtuosen Anagramme – weit weniger Aufmerksamkeit erfahren hat als ihre Krankengeschichte und ihre Rolle im Leben männlicher Kollegen. Die Künstlerinnen deklarieren ihr Hörstück als Femmage und greifen Unica Zürns traumartig-surreale Bildsprache sowie die Technik des Anagrammierens auf. Zitate aus dem Gesamtwerk Zürns verbinden
sich mit Überschreibungen und Texten von Natascha Gangl.
Natascha Gangl, *1986. Prosadebüt Wendy fährt nach Mexiko (2015). 2020 erscheint Das Spiel von der Einverleibung – Frei nach Unica Zürn.
Rdeča Raketa (Rote Rakete, nach einem Gedicht von Srečko Kosovel): Maja Osojnik und Matija Schellander, Musikerinnen und Komponistinnen. Old Girl, Old Boy (MC, 2010); wir werden (LP, 2013); Beiträge für Kunstradio (Ö1), Klanginstallationen.
Billy Roisz, *1967 in Wien, Video- und Performancekünstlerin sowie Musikerin (E-Bass, Electronics).
Do 05.03.20
18.30 Radiolabor 1 Präsentation
Patricia Brooks: Radio Rosa – Textmix Lab
19.00 Neue Radioarbeiten – Hörproben und Gespräche 1
Petra Ganglbauer / Sophie Reyer: P.ROSA im Radio
Dieter Sperl: Wer bist du? / Aus meinem Leben / Erste Erinnerungen
Trilogie, ORF 2015/2018/2019
Ein Laboratorium an der Schnittstelle von Literatur und Sound ist Patricia Brooks’ Projekt Radio Rosa. Seit 2008 lädt sie jährlich vier AutorInnen und MusikerInnen ein, gemeinsam zu einem lose der Radiophonie assoziierten Motiv (Ortlosigkeit, Wellen, Übermittlung, Sendungsformate, …) ein Live-Hörstück zu entwickeln. Alle waren bei Radio Rosa zu Gast, und arbeiteten auch danach an gemeinsamen Projekten. Petra Ganglbauer realisierte zahlreiche qRadioprojekte, Sophie Reyer verfasste u.a. zwei Hörspiele; gemeinsam veröffentlichen sie unter dem Namen P.Rosa und haben auf dieser Basis zwei Hörstücke entwickelt, die dem assoziativen lyrischen Diskurs gewidmet sind. Den Bewegungen der Sprache nachzugehen ermöglicht auch Dieter Sperls O-Ton-Trilogie. Rundfragen im persönlichen Umfeld zu einem (jeweils titelgebenden) biografischen Thema bilden den Ausgangspunkt für akustische Collagen, die mehr und mehr vom Dasein selbst erzählen.
Patricia Brooks, *1957 in Wien, Autorin von Kurzge schichten, Erzählungen, Romanen, Gedichten, Hörspielen. Zuletzt: Podium Porträt Nr. 95 (2018).
Petra Ganglbauer, *1958 in Graz. Lyrik-, Prosa-, Essayveröffentlichungen, Hörstücke etc. Zuletzt:
Gefeuerte Sätze. Gedichte (2019); P.ROSA. Text partitur (mit Sophie Reyer, 2019).
Sophie Reyer, *1984 in Wien. Gedichte, Prosa, Theaterstücke, Hörspiele, Kurzfilme. 2020 erscheint u.a. der Roman Zwei Königskinder.
Dieter Sperl, *1966 in Wolfsberg. Experimentelle und konzeptuelle Bücher, Hörstücke, Textinstallationen, Fotoarbeiten, Herausgeberschaften. Zuletzt: Der stehende Fluss (2019).
So 08.03.20
15.00 Vorspiel 2
Raphaela Edelbauer / Corina Cinkl: Darling
(Aus der Reihe: Das kryptografische Journal)
ORF 2019, 28 min
15.45 Frieda Paris: Ruhepuls, Rom
DLF Kultur 2018, 47 min
16.45 Oswald Egger / Iris Drögekamp: Linz und Lunz
SWR 2013, 44 min
Oswald Egger / Iris Drögekamp: Vom Drehen und Wenden der Blätter
SWR 2016, 42 min
Di 10.03.20
Di 10.03.20
18.30 Radiolabor 2
Orhan Kipcak: Präsentation und Gespräch
Das gemeinsame Hörspielprojekt des Instituts für Sprachkunst Wien, der Kunstuniversität Graz, der FH Joanneum Graz und des Ö1-Kunstradios
19.00 Neue Radioarbeiten – Hörproben und Gespräche 2
Frieda Paris: Ruhepuls, Rom
Regie: Anouschka Trocker. DLF Kultur 2018
Raphaela Edelbauer / Corina Cinkl: Darling
(Aus der Reihe: Das kryptografische Journal)
ORF 2019
Interdisziplinarität an Hochschulen kommt auch der Radiokunst zugute: Seit 2015 realisieren AutorInnen und Sound DesignerInnen aus Wien und Graz im Seminar bei Orhan Kipcak gemeinsam kurze Hörstücke – der Initiator wird über den Produktionsprozess und die künstlerische Dynamik Auskunft geben. In ebendiesem Seminar hat die Autorin Frieda Paris Hörstücke realisiert. Deren lyrische Prägung zeichnet auch ihr erstes längeres Hörspiel aus: Ruhepuls, Rom ist eine motivisch
gearbeitete Reflexion über das Enden einer Beziehung und über das Leben mit Wörtern. Es scheint dabei nicht nur die Eichhörnchen betreffend auf den (Hörspiel-)Spuren Ingeborg Bachmanns (Der gute Gott von Manhattan) zu wandeln. Raphaela Edelbauer, die wie Frieda Paris am Institut für Sprachkunst studierte, stellt ihre erste umfangreichere Radioarbeit vor: Darling (Aus der Reihe: Das kryptografische Journal) nimmt sich aus multiplen Perspektiven der Themen Verschlüsselung und Überwachung
an, und weil das Hörstück selbst als Radiosendung konzipiert ist, ist auch das Medium Radio mittendrin: Den Ausgangspunkt bilden akustische Botschaften, die »die sogenannte Autorin Raphaela Edelbauer« aus Israel ins Studio sendet.
Corina Cinkl, *1984 in Wien, ist Sängerin, Songwriterin, Musikproduzentin und Betreiberin des Musiklabels Underwaves Records.
Raphaela Edelbauer, *1990 in Wien, Studium der Sprachkunst in Wien. Zuletzt: Das flüssige Land. Roman (2019).
Orhan Kipcak, *1957, Mediendesigner und -autor, Lehrtätigkeit u.a. am Institut für Sprachkunst Wien, seit 2001 Professur für Media Design an der FH Joanneum Graz.
Frieda Paris, *1986 in Ulm/D. Lyrik, Prosa, Hörspiele, Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien; arbeitet an einem experimentellen Roman
Do 12.03.20
19.00 Im Porträt
Oswald Egger / Iris Drögekamp: Triumph der Farben
ORF/SWR 2019, 52 min
anschließend Kurzkommentar von Bodo Hell: »noch einmal: Blauschimmel!« (die Regisseurin)
Aus der Studio-Werkstatt geplaudert. Gespräch mit Oswald Egger, Iris Drögekamp, Bodo Hell
So manifest wie die Bildkomponente der Texte von Oswald Egger wird allerspätestens im Vortrag des Autors auch ihre lautliche Komposition: die vielfachen Klangkorrespondenzen, der Rhythmus und die onomatopoetische Anmutung, insbesondere auch der Wortneubildungen. Schlüssigerweise ist die erste Radioarbeit Oswald Eggers tuning, stumm (ORF 2004) ein Konzentrat aus Autorenstimme ohne weitere Zutat. In der folgenden Zusammenarbeit mit der Regisseurin Iris Drögekamp beginnen Oswald Eggers Texte durch die Stimmen zu wandern. Die Aufmerksamkeit gilt hier der Artikulation und Intonation. Wenn Oswald Eggers Dichtung durch Drehen und Wenden der Sprache deren Bezüge zu Dingen erforscht und dabei vervielfacht, so loten die Hörstücke Lesarten und Sprechweisen dieser Dichtung aus. Hinzu kommt ein sparsamer, präziser Einsatz radiophoner Gestaltungsmittel, vor allem der Stereophonie, die Simultanität und Bewegung der Stimmen ermöglicht. Triumph der Farben ist das vierte gemeinsame Hörstück. In Anlehnung an, aber unabhängig von Oswald Eggers jüngstem Buch desselben Titels geht es den (Un-)Ordnungen der Farben nach und macht sinnfällig, dass sich gerade ein derart visuelles Sujet zum Hörstück eignet. Bodo Hell wirkte als Sprecher an der Produktion mit.
Iris Drögekamp, *1967, lebt und arbeitet als Hörspielregisseurin in Baden-Baden und Hamburg. Seit 2007 Lehraufträge/Workshops für Hörspiel und Akustische Kunst u.a. an der HfG Karlsruhe, Muthesius-Kunsthochschule Kiel, Universität zu Köln.
Oswald Egger, *1963 in Südtirol, lebt und arbeitet als Autor im Kunstzentrum auf der ehemaligen Raketenstation Hombroich in der Nähe von Düsseldorf.
Bodo Hell, *1943, Prosa, Radio, Theater, Schrift im öffentlichen Raum, Text-Musik-Performances, Fotos, Film, Ausstellungen. Jüngst: ÖTZI 1991991 (Text- und Hörstück gem. mit Martin Leitner, 2019)
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