Hörspiel des Monats November 2024
Die Könige spielen die anderen
von Gesche Piening
Regie: Gesche Piening
Komposition: Michael Emanuel Bauer
Dramaturgie: Christine Grimm
Produktion: DLF Kultur 2024
Länge: 53:54
Ursendung: DLF Kultur, 17.11.2024, 18.30 Uhr
Die Begründung der Jury
„Macht ist eine Tatsache und keine Macht auch.“ Gesche Pienings Hörspiel über hierarchische Muster in der Chefetage eröffnet mit höfischen Fanfarenklängen und gesprochenem Chor. In diesem wehrt sich das vielstimmige Ich gegen Vorschläge von außen zum eigenen Verhalten, ohne jedoch den Mut aufzubringen, aus dem Gleichklang auszubrechen. Mit solchen Mitteln erschafft das Hörspiel eine Arbeitswelt der Widersprüche und Brüche, in der wir als Individuum wahrgenommen und für Ideen geschätzt werden wollen und gleichzeitig die anderen verwechseln oder – noch schlimmer – selbst verwechselt werden, jedoch nicht mit Doppelgängern, die uns ähnlich sind, sondern mit irgendwelchen anderen Mitarbeitenden, die ihrer täglichen Lohnarbeit nachgehen.
Es ist eine Welt, in der Angestellte dafür da sind, Chef und Chefin glücklich zu machen und wenn sie in Rente gehen, als Racheakt für die lebenslange Aufopferung die gemachten Erfahrungen für sich behalten und in die Versenkung, genannt Ruhestand, mitnehmen. Eine Welt, in der man, ob Chefin oder Angestellter, es gewohnt ist, beurteilt zu werden. Tränen sind entlarvend und Freundlichkeit bringt niemanden weiter. „Außer, man hat ein ganz besonderes Team – doch wer hat das schon?“
Das Hörspiel überzeugt mit klugen Momentaufnahmen und überraschenden Sätzen, die Gedankenräume öffnen und kompositorisch relativiert werden, worin der Humor und Feinsinn des originären Textes liegen. Zentrales Thema dabei ist die ständige Abhängigkeit voneinander: Könige brauchen Untertanen, Mitarbeiterinnen haben Vor- und Feindbilder, meine Ideen werden annektiert und „die Freizeit des einen kann sehr viel Arbeit für einen anderen bedeuten“.
Alles muss immer weitergehen, dies wird auch musikalisch vorantreibend unterstrichen (Komposition: Michael Emanuel Bauer), mal wird eine Stimme fast zum Ertrinken gebracht, mal mit fließbandähnlichen Wiederholungen in fleißigem Trott gehalten, immer mehr stehen die Stimmen unter Strom, von Rauschen gestört. Doch trotz hörbarer Erschöpfung überleben sie, der nächste Urlaub kommt bestimmt.
Gesche Piening thematisiert Machtstrukturen und Wachstumskreisläufe, die schon viel zu lange danach verlangen, durchbrochen und aufgelöst zu werden, und sie bietet eine Lösung an: Der Reflex, immer wieder in festgelegte und konditionierte Rollenbilder zu verfallen, muss gelöscht werden. Um dies zu erreichen, sendet das Hörspiel wiederholt inhaltliche Reize aus („Kennen wir uns?“), in der Hoffnung, dass die Hörenden eigene festgefahrene Muster auflösen können. Dieser Versuch ist bemerkenswert und darum Hörspiel des Monats November 2024.
Das Hörspiel des Monats wird am Samstag, den 01.02.2025 um 20.05 Uhr im Deutschlandfunk (DLF) wiederholt.
Die Nominierungen
BR, Hans Christoph Böhringer: Mein Leben als Spam
DLF, keine Nominierung
DLF Kultur, Gesche Piening: Die Könige spielen die anderen
HR, Bernardine Evaristo: Mädchen, Frau etc.
MDR, Ruth Johanna Benrath: Zugluft im Weltgefüge
NDR, John Steinbeck: Früchte des Zorns
RB, Elisabeth Herrmann: Der Teepalast
RBB, Dunja Arnaszus: Den Hund begraben
SR. Liquid Penguin Ensemble: Vokabelmeer
SWR, imon Karl Kaleyta: Heilung
WDR, Raquel Meseguer Zafe: Wolkenbeobachtungen. Perspektiven chronisch kranker Menschen
ORF, Kerstin Schütz: Welcome to the Western World
SRF, Hermann Bohlen: Moetteli – Eine Begegnung mit künstlicher Intelligenz
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