Ein Nachgeschmack von Langeweile

Lars Henriks und Moritz Haase: Dämonenjäger Ewald Heine

10-teilige Grusel-Hörspielserie, abrufbar in der ARD Audiothek seit 7. August,
WDR 1 Live, montags vom 25.11. bis 23.12. von 23.00 bis 0.00 Uhr in Doppelfolgen.

Lars Henriks und Moritz Haase haben mit ihrer minimalistisch inszenierten Mystery-Horror-Serie „Korridore“ beim SWR aufhorchen lassen. Jetzt legt das Autorenduo mit opulenter Besetzung für den WDR mit der Gruselhörspielserie „Dämonenjäger Ewald Heine“ nach. Liegt da ein Segen drauf?

Eigentlich müsste man für Claudia Urbschat-Mingues ein Adjektiv erfinden, denn der Gruselhörspiel-Zehnteiler „Dämonenjäger Ewald Heine“ ist so urbschat-mingues, wie man ihn sich nur vorstellen kann. Die deutsche Stimme von Angelina Jolie und vieler anderer US-amerikanischer Schauspielerinnen spielt hier die Dämonin Likho, deren Namen man aber erst in der achten Folge erfährt. Solange wohnt sie anonym im Kopf des Schriftstellers Ewald Heine, gespielt von Helgi Schmid, und darf dort als Hauptfigur, Erzählerin und Kommentatorin so synchronig übertreiben, wie es ihr Spaß macht. Alles andere wäre auch halbherzig gewesen.

Die von dem Autorenduo Lars Henriks und Moritz Haase verfassten je etwa 25-minütigen Episoden spielen in den 1920er Jahren in Berlin. Als Staffage ziehen ein paar Esoterik-Nazis der Thule-Gesellschaft die Fäden – jedenfalls solange bis Likho sie alle niedergemetzelt hat. Denn es fließt viel Blut in diesem auf einen zweite Staffel angelegten Zehnteiler, der weniger eine horizontal erzählte Geschichte ist, als eine nummernrevuehafte Aneinanderreihung unabhängiger Episoden.

Da ist der Dichter der dunklen Romantik Lord Byron plötzlich ein Vampir, der sich Bryan nennt (Liliom Lewald). Da gibt es Arachne, die Spinnenfrau (Edda Fischer), die in einem Spukhotel die Gäste in den Selbstmord treibt. Da gibt es eine Wahrsagerin mit ungewöhnlich oft zutreffenden Prophezeiungen, einen verrückten Arzt, der seine Patienten lobotomiert, um Kontakt zu Gott Pan aufzunehmen, und so weiter und so fort.

Unbedingter Wille zum Klischee

Wenn schon ein Genre bedient werden soll, dann aber richtig, scheinen sich die beiden Autoren gedacht zu haben und Regisseur Thomas Leutzbach hat das mit Musik von Verena Guido und einem mehr als vierzigköpfigen Ensemble opulent umgesetzt. Wogegen überhaupt nichts einzuwenden ist. Auch der unbedingte Wille, lustvoll alle Klischee zu bedienen, ist kein Nachteil. Wenn man diese Klischees aber nicht überschreitet, bleibt ein gewisser Nachgeschmack von Langeweile übrig.

Denn dass der schwule Autor Ewald Heine sich gerne in einem Nachtclub namens Eldorado rumtreibt und sich von dem grantigen Kommissar Franke (Hanno Koffler) zur Mitarbeit an der Aufklärung einiger Ritualmorde erpressen lassen muss, ist schon ein bisschen arg vorhersehbar. Ein Topf voll „Babylon Berlin“, ein paar Spritzer „Indiana Jones“ zur Basis einer Mystery-Horror-Grusel-Reduktion und fertig ist der Eintopf, der in verschiedenen Darreichungsformen vom ARD-Hörspiel gegenwärtig verabreicht wird. Jedenfalls so lange, bis ihn niemand aus den von der Marktforschung identifizierten „Eroberungsmilieus“ mehr auslöffeln mag.

Austauschbare Kulissen

Doch schon bevor sich die ARD auf das kommerziell erfolgreiche Mystery-Genre draufgesetzt hat, gab es Horrorhörspiele im Programm. Der Filmautor und -regisseur Jörg Buttgereit hat zwischen 2001 und 2020 für den WDR 16 Stücke von Psycho- bis Splatterhorror produziert, die immer den Charme des Underground versprühten.

Der Charme, mit dem Lars Henriks und Moritz Haase mit ihrer mit kleinster Besetzung minimalistisch inszenierten Serie „Korridore“ (vgl. MD 12/24) aufhorchen ließen, hat sich nicht so ganz in „Dämonenjäger Ewald Heine“ herüberretten lassen. Der Anspielungsreichtum ist weiterhin groß und man freut sich, wenn man beispielsweise in Filmregisseur Franz Kurz und seiner Geliebten Thekla von Bottrop Fritz Lang und Thea von Harbou erkennen kann. Doch das alles wird im Breitwandformat, in dem diese Serie inszeniert wird, viel zu klein.

Der WDR hat der Serie einen ausführlichen Webauftritt beschert, der nicht nur einen Charakter-Guide, sondern auch einen ausführlichen Text zum problematischen Schriftsteller Hanns Heinz Ewers enthält, der als Vorlage für die Figur des Ewald Heine gedient haben soll. Ewers hatte sich schon in den 1920er Jahren den Nazis angedient, die seine Bücher trotzdem verbrannt haben. Doch weder die historische Verortung, noch die politischen Kontexte spielen in der Dämonenjäger-Geschichte eine Rolle. Es sind austauschbare Kulissen. Der Reichtum an erzählerischer Fantasie der Autoren Lars Henriks und Moritz Haase, die sich von Motiven von Hanns Heinz Ewers inspirieren ließen, konnten sich in den engen „Korridoren“ des SWR in Baden-Baden besser ausbreiten als in den Hallen des WDR in Köln.

Jochen Meißner – KNA Mediendienst 14.08.2024

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