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Radiovorschau. 28. September bis 4. Oktober 2012.
Henry David Thoreaus Essay »Civil Disobedience« (dt. Titel: Von der Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat) erschien 1849. Manchem gilt Thoreau – Steuerverweigerer, Sklavereigegner und Reformpädagoge – noch heute als großer Vorvater der Anarchisten. Dabei ist sein Text ebenso bedeutungsoffen wie nichts Gutes. Er könnte fast ein Manifest der amerikanischen »Tea Party«-Bewegung sein. Hört man sich diese neue Vorlesestunde von Kai Grehn an (Fr., 19 Uhr, RB Nordwestradio), springt einem zu allererst das marktschreierisch neoliberale Postulat »Weniger Staat!« ins Ohr. Mehr noch: Rückwärtsgewandt und ohne jegliche gesellschaftliche Perspektive erscheinen Thoreaus Statements beim zweiten Hinhören. Also doch genau das Richtige für Kai Grehn? Der hatte ja bereits Anfang des Jahres seinen schlechten ästhetizistischen Geschmack bewiesen, indem er Ernst Jüngers »Das abenteuerliche Herz« für den SWR von Alexander Fehling lesen ließ.
Zum Glück ist das nicht die einzige Ursendung, die ansteht. In »Chez Icke« (Fr., 22 Uhr, rbb Kultur) von Gesine Danckwart und Fabian Kühlein wird der Heimatbegriff auf bekömmliche Größe eingeschrumpft. Denn was braucht der Mensch zum Glücklich sein mehr als einen Tresenplatz in der Lieblingskneipe?
Insgesamt sechsmal hat Uwe Dick seine »Sauwaldprosa« nach dem ersten Erscheinen 1976 erweitert. Nun hat sie der Bayerische Rundfunk als zwölfteiliges Hörspiel produziert. Wem diese erzählerische Hommage an einen Landstrich viel zu lang und anstregend ist, bekommt von Dick ein »Die wenigsten kommen blöde zur Welt. Sie werden’s dann nur. Aus Bequemlichkeit« entgegengeschleudert. Der erste Teil kommt am Sonntag (15 Uhr) und Montag (20 Uhr) auf BR2.
Nicolas Sarkozy wollte die Banlieues »kärchern«. Nicht obwohl, sondern weil dort Menschen leben. Welche und wie schildert Faïza Guène in »Paradiesische Aussichten« (So., 17 Uhr, SR2). Einen Klassiker hingegen bietet im Anschluß SWR2 (18 Uhr) mit Wolfgang Koeppens »Treibhaus«. Mit »Was sollen wir überhaupt senden?« (Mo., 0 Uhr, DKultur) schuf Helmut Heißenbüttel 1970 ein auch heute topaktuelles Hörspiel. Wie die am Sendebetrieb Beteiligten die Frage beantworten, ist mehr als unterschiedlich. MDR Figaro zumindest sendet am Montag (22 Uhr) Molières »Der eingebildete Kranke«.
Das Hörspiel hat das Urmeer des Radio längst schon verlassen und ist an Land gegangen. Das 4. Berliner Hörspielfestival im Dock 11 (Kastanienalle 79) widmet sich ab heute 18.30 Uhr vor allem dem senderungebundenen, freien Hörspiel. Jury und Publikum küren die besten Stücke. Im reichhaltigen Programm ist u.a. auch ein Gespräch mit den Soundgenies Wittmann und zeitblom vorgesehen (So., 16.30 Uhr)
Rafik Will, 28.09.2012 junge Welt
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