Liquid Penguin Ensemble: Ickelsamers Alphabet

Dieser Abend ist eine Feierstunde!
Vor genau 479 Jahren erschien die erste „Teütsche Grammatica“. Ihr Verfasser, Valentinus Ickelsamer, klärt uns darin über die „subtiligkait der Buechstaben“ auf und erläutert ausführlich die Aussprache eines jeden Buchstaben im deutschen Alphabet und „wie mans mit den Natürlichen organis und gerüst im mund machet“. Und er gibt uns hilfreiche Klangvorbilder, denen der richtig gebildete Buchstabenlaut dann ähneln solle – das „G“ etwa solle sein „wie die Gens pfeisen“; das „W“ würde gemacht, „wie man in ein heiß essen bläst“; das „R“ schließlich sei „der Hundts buechstab / wann er zornig die zene blickt und nerret / so die zung kraus zittert“.

Wir widmen dem großen Ereignis, dem Jubiläum von Ickelsamers Erstausgabe von 1534, eine feurige Rede – natürlich mit den bei solchen Gelegenheiten unvermeidlichen Übersetzungen und musikalischen Interludes – die sogleich und immer wieder an ihren lautmalerischen Rändern ausgeweitet wird und sich mit dem Instrumentalensemble zu wahren Klangfarbenkompositionen verbindet.
Im deutsch-französischen Jahr lassen wir uns nämlich verlocken, Ickelsamers Ausspracheanweisungen auch von französischen Mündern ausführen zu lassen, und nun schöpfen wir aus dem Klangfarbenreichtum, den unsere Sprachen angehäuft haben, bis sie zu Musik werden. Den lautlichen Nuancen eines „A“ beispielsweise von hell und klar über breit bis näselnd und nasal entsprechen nämlich die feinen Schattierungen im Klang unserer Musikinstrumente, die je nach Bauweise und Spieltechnik ebenfalls im farbigen Wechselspiel der Obertöne schillern.

Aus dem Vergnügen an solcher Laut- und Klangproduktion speist sich dieser Abend, und auch das Publikum darf – so es will – mit Hilfe seiner Sprechwerkzeuge seinen Anteil am Vergnügen nehmen: mit eigenen „A“s und „O“s, mit allen verfügbaren Varianten des „R“s und mit den wechselseitig unaussprechlichen Nasalen und Zischern, mit denen die jeweils fremde Sprache der eigenen Zunge auflauert…

„1987 verehrte der Gymnasiallehrer Geiger der Frankophonie als Dank für die vielen Worte, die das Französische dem Deutschen im Lauf der Jahrhunderte geschenkt hatte, den – wie er fand – bezaubernden Blumennamen der unscheinbaren „kriechenden Hauhechel“.
Was gut gemeint war, stieß aber auf gewisse Schwierigkeiten: die deutsche botanische Bezeichnung für den zartblühenden Anrainer landwirtschaftlicher Nutzflächen enthielt zu viele Laute, die hervorzubringen der französische Zunge versagt ist, sodass sie keinen Eingang ins allgemeine Vocabulaire fand.“

 

Liquid Penguin Ensemble: Ickelsamers Alphabet

Liquid Penguin Ensemble: Ickelsamers Alphabet

 

Update: Wieder am 15. Oktober 2013 in Trier und am 18. Oktober 2013 in Sarreguemines.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.