Kimme, Korn, ran!
Kleine Radioschau. 6. bis 13. Juli 2012
Der rbb ist das Armenhaus unter den Landesrundfunkanstalten der ARD. Überdurchschnittlich viele Hörer und Zuschauer im Sendegebiet sind von den Rundfunkgebühren befreit. Auf dem Nachrichtenkarussell des rbb, dem Inforadio, gibt es immer häufiger kostengünstige Boulevardformate. Wenn Inhalte geboten werden, sind sie nicht selten gemeingefährlich. So in der Diskussionssendung »Forum« vom 20. Mai. Hier machte die Moderatorin Ute Holzhey vor, wie man im Kriechgang zur Schleichwerbung für einen Rüstungskonzern kommt. Zunächst bedankte sie sich übertrieben ausführlich bei ihrer Gastgeberin von der privaten European School of Management and Technology, dann packte sie den Hammer aus. »Ich muß ja ganz ehrlich sagen, ich finde den Konzern EADS ja total toll!« erklärte Holzhey dem Personalabteilungsleiter von EADS Deutschland, und war völlig baff, wie dieser Herr Meyer es »schafft, verschiedene Kulturen in einem Konzern zu verbinden«. Wer nicht wußte, daß EADS ein Rüstungskonzern ist, erfuhr es im Verlauf der Sendung auch nicht. Vermittelt wurde der Eindruck, die Aktiengesellschaft stelle Zuckerwatte oder Plüschtiere her. Holzhey wunderte sich folgerichtig auch sehr darüber, daß junge, also flexible Menschen nicht den EADS-Arbeitsplätzen hinterherreisen.
Für Waffen scheint man beim rbb-Inforadio überhaupt eine Schwäche zu haben. Am vergangenen Sonntag bot Christoph Heimann um 9.44 Uhr in seiner Sendung »abseits: Kimme, Korn, ran! Sportschützen in Berlin« dem Präsidenten des Sportschützenverbandes Berlin-Brandenburg viel Raum für die Präsentation seltsamer Hobbypädagogik. Peter Ringer: »Wir haben Kinder mit ADS-Syndrom oder Jugendliche, die bringt man auch gerne zum Schießen, weil sie sich da konzentrieren müssen.« Karin Kristopeit, die im Verband die Jugendarbeit macht, pflichtete dem bei: Das Erworbene könnten die Kinder auch in der Schule gut gebrauchen.
Noch dümmer und fieser geht es vielleicht nur noch beim rbb-Sender Fritz zu, zum Beispiel am Dienstag ab 22 Uhr im »Blue Moon«. Das Weltverbesserungskomitee aus Holger Klein und Anrufern befand, daß man viel besser dran wäre, wenn alle Verbrecher auf einen Kontinent gepfercht würden. Als nächstes erklärte ein Waffennarr, der norwegische Neonazi Breivik sei »jagen gegangen«. Klein ließ ihn gewähren und schloß eine passende These an: Die »Technologie Konzentrationslager« sei zum »Wohle der Mehrheit« eingesetzt worden.
Schwach von soviel Wahnsinn, flüchtet man gerne mal in fiktionale Soundgefilde. Zwei Stücke von Thomas Meinecke und Move D werden da in den nächsten Tagen aufgeboten: »Lookalikes« (heute, 21 Uhr, BR2) und »Work« (Mo., 0 Uhr, DKultur) – hier geht es darum, daß Tanzen als Dragqueen harte Arbeit ist. Mit »Testament« (Mi., 21.30 Uhr, hr2) ist die Performancegruppe She She Pop richtig bekannt geworden. Vor kurzem gab es dafür den Preis der Kriegsblinden 2012.
Rafik Will, 6.7.2012 junge Welt
Schreibe einen Kommentar