Gespräch mit der Autorin Ingrid Marschang
»Humor ist eine Strategie«. Der systematischen Verblödung in Moral und Politik ein Hörspiel entgegensetzen
Ein Gespräch mit Ingrid Marschang
Am Sonntag bringt der NDR Ihr neues Hörspiel »Der Bunker«, die Fortsetzung des Sozialkrimis »Geschichten aus der großdeutschen Metropulle«. Ihr Held, der Privatdetektiv Johann Marland, bewegt sich in einer ebenso grotesken wie grausamen Welt, die die soziale Wirklichkeit der Hartz-IV-Ära ziemlich genau widerspiegelt. Erst war er für einen Immobilienhai tätig, nun muß er als Hoteldetektiv arbeiten – im Keller des Hauses. Was ist das für ein Typ?
Letztlich ist Marland eine Figur, die zwar nicht gewinnen kann, aber doch ein Stehaufmännchen ist. Er muß nun als Hoteldetektiv die dekadente Welt der Gutbetuchten überwachen. Wie auch in der ersten Geschichte hat es mir großen Spaß gemacht, groteske Ideen einzubauen, so begegnet Johnny z.B. dem nackten Daimler-Vorstand und macht manch andere, erschreckende Entdeckung. Ich möchte nicht nur unterhalten, sondern mit der subversiven Sprache des Humors die herrschende Moral und Unbarmherzigkeit einer Politik entlarven, durch die die Menschen systematisch verblödet werden. Dem Gefühl von Ohnmacht möchte ich eine Stimme geben durch Figuren, die im System nicht funktionieren.
Welche Rolle spielen für Sie der Text auf der einen und der Klang der Sprache auf der anderen Seite?
Schwerpunkt ist für mich der Text, nicht so sehr die akustische Umsetzung. So kann ich die stilistischen und humoristischen Möglichkeiten der Sprache und ihre Vieldeutigkeit besser nutzen. Diese Fähigkeiten konnte ich vor allem durch meine Mitarbeit bei Titanic, wo ich 1995 auch ein Volontariat gemacht habe, weiterentwickeln.
Wie waren die konkreten Produktionsbedingungen beim NDR?
Die Zusammenarbeit könnte nicht besser sein. Vor der Produktion gab es ausführliche Textbesprechungen mit der Redakteurin und Dramaturgin Susanne Hoffmann. Ich bin froh, jemanden im Hörspiel gefunden zu haben, der meinen Humor teilt. Sie ging sehr behutsam mit dem schriftlichen Material um. Später, bei der Produktion im Studio, war ich dann nicht mehr dabei. Nach Abschluß des Skripts überlasse ich die akustische Interpretation der Regie. Das ist eine eigene Kunst, und die Regisseurin Andrea Getto ist sehr innovativ. Von der Umsetzung war ich schon beim ersten Stück begeistert und bin es auch jetzt wieder beim zweiten. Die Schauspieler haben ebenfalls großartige Arbeit geleistet, allen voran Stefan Kaminski. Aber auch die kleineren Rollen sind wunderbar gesprochen.
Sie machen auch Theaterprojekte mit Jugendlichen. Was lernen die bei Ihnen?
Mein Ziel ist, daß Heranwachsende ihr Selbstwertgefühl nicht über immer prekärer bezahlte Arbeit und ihre Kaufkraft beziehen, auf die der einzelne oft reduziert wird. Das fehlende Sozialverhalten bei den Jugendlichen ist frustrierend, aber nicht weiter verwunderlich. Wer wie Müll behandelt wird, behandelt auch andere wie Müll. Theater kann hier durchaus etwas bewirken. Jugendliche erreicht man schwer über eine diskursive Ebene oder pädagogisches Salbadern. Beim Theaterspielen kommt man über das sinnliche Erleben zur Erkenntnis, und es erfordert mehr, als eine eindeutige Interpretation der Welt zu liefern und sich der herrschenden Moral zu beugen. In diesem Zusammenhang halte ich die Arbeit von Sozialpädagogen und Psychologen für fragwürdig, die sich als verlängerter Arm der herrschenden Leistungsideologie erweisen, indem sie nur versuchen, die Jugendlichen funktionsfähig für die Arbeitswelt zu machen. Ich will aber das Kritikvermögen schulen und den Widerstand gegen diese Konditionierung stärken. Das erreiche ich über humor- und phantasievolles Theater. Dabei erlernt man Kommunikationsstrategien, die eine souveräne Position erfordern. Insbesondere der Humor ist eine Strategie, Herrschaftssprache zu durchschauen oder zu karikieren. Im Optimalfall schafft man durch die Theaterprojekte Lebensfreude und kann auch Solidarität mit den Schwachen in unserer Gesellschaft vermitteln. Gewünscht ist das allerdings von staatlicher Seite nicht.
Ingrid Marschang ist freie Autorin und Zeichnerin in Berlin.
Interview: Rafik Will (9.3.12, junge Welt).
Sonntag, 11.3., NDR Info, 21.05 Uhr »Geschichten aus der großdeutschen Metropole 2 – Der Bunker«
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