Hörspiel des Monats Dezember 2024
Sei uns unser sicher sicher
von Gesche Piening
Regie: Gesche Piening
Komposition: Michael Emanuel Bauer, Mathis Nitschke
Dramaturgie: Katja Huber
Produktion: BR 2024
Länge: 69:18
Ursendung: Bayern 2, 06.12.2024, 20.05 Uhr
Die Begründung der Jury
„Sicherheitshalber betrachte ich mein Sicherheitsempfinden als subjektiv und mein Unsicherheitsempfinden als objektiv. So bleibe ich wachsam und tendenziell misstrauisch.“
Gesche Piening dekliniert in ihrem Hörspiel „Sei uns unser sicher sicher“ das vielfältige Sicherheitsbedürfnis unserer Tage durch. Sie konturiert mit scharfem Strich die Facetten der Befindlichkeit heute, zeichnet in unterschiedlichsten Textsorten, von Statements und Dialogfragmenten, über „Gedankenprotokolle“ und „Gedankenadditionen“ bis hin zu Monologen und Werbeclaims, die Situationen im Alltagsleben nach, in denen die Angst nistet und waltet. Und sie tut das – so scheint es uns – beinahe immer und überall. Politisch und privat. Die Militarisierung der Mentalität schüchtert den leisesten Ansatz zu Pazifismus ein, denn „Sicherheitserwägungen sind immer Totschlagargumente – ein tolles Wort(!), TOTSCHLAGargumente – , das weiß jeder, nicht nur wir in der Sicherheitsbranche“, wie wir hören.
Der bürgerliche Privatbesitz ist seinem Wesen nach in erster Linie potentielle Beute von Einbruch und Raub: „Lassen Sie sich von Ihrem Sicherheitsbedürfnis nicht verunsichern. Veranstalten Sie ein Nachbarschaftstreffen mit Vertretern der Polizei, tauschen Sie Rufnummern aus, notieren Sie Kennzeichen verdä chtiger Autos und Personen, (…) bleiben Sie in jeder Lebenslage wachsam!“
Diese angst- und misstrauensgesteuerte Wachsamkeit aber vereinzelt, schafft Kälte und mindert soziale Interaktion. Nicht von ungefähr geistert der Ruf „Kann mir mal bitte jemand eine Wärmflasche machen?“ durch die neunundsechzig Hörspielminuten.
Der Hörspielraum öffnet sich mit einem Räuspern, gefolgt von einem Schrei, ist dicht durchkomponiert – textlich, sprachlich und musikalisch – und wird mit einer Frage geschlossen („Ich bin verunsichert. Bin ich jetzt sicher sicher oder bin ich es nicht?“), die diesen Tanz der Verunsicherung humorvoll neu entfacht und, rhythmisiert durch die begleitende Musik, in den Köpfen der Hörer:innen weiterdrehen lässt, hoffentlich. Denn die Hoffnung ist in dem Hörspiel zentrales Motiv: die wiederkehrende Hoffnung darauf, unversehrt zu bleiben. Eine unmögliche, ja, mit dem nächsten Vorwurf („Willst du mich verarschen?“) schon gebrochene Hoffnung. Dieser feine Humor zeigt sich immer wieder im Arrangement mit Brüchen, Wiederholungen, im begleitenden Countdown von 99 bis 0 – in dem auch keine Erlösung steckt – und im Sprechton, der zwischen verblüffender Unbefangenheit und präziser Betroffenheit changiert. Piening trifft mit klaren Sätzen den Nagel auf den Kopf, ihre kluge Frechheit beschwingt, indem sie aufzeigt und sagt, was Sache ist. Darum sei ihr nach dem November auch im Dezember die Auszeichnung „Hörspiel des Monats“S überreicht.
Das Hörspiel des Monats wird am Samstag, den 01.03.2025 um 20.05 Uhr im Deutschlandfunk (DLF) wiederholt.
Die Nominierungen
BR, Gesche Piening: Sei uns unser sicher sicher
DLF, keine Nominierung
DLF Kultur, Sven Stricker: Sörensen macht Urlaub
HR, Monika Helfer: Die Bagage
MDR, Catherine Benhamou: Fünf Sekunden
NDR, Lucy Goacher: Abgrund
RB, keine Nominierung
RBB, Irmgard Keun: Das kunstseidene Mädchen
SR, keine Nominierung
SWR, Thomas Mann: Die Geschichten Jaakobs Hauptstück III: Die Geschichte Dinas
WDR, keine Nominierung
ORF, Monika Helfer: Löwenherz
SRF, keine Nominierung
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