Sounds like Hörspiel

Rainald Grebe und Tilla Kratochwil: Fallada. Ein Leben im Rausch.

RBB Kultur, Fr 21.01., 28.01., 04.02.2022, 19.00 bis 19.55 Uhr

Grebe / Kratochwil:Fallada Ein Leben im Rausch„Wir machen das Leben von Fallada ohne die Romane, also nur mit Briefen, Dokumenten, Arztbriefen, Polizeiakten, Gerichtsakten“, beschreibt der Kabarettist, Liedermacher und Theaterregisseur Rainald Grebe das Projekt „Fallada. Ein Leben im Rausch“, das er zusammen mit der Schauspielerin Tilla Kratochwil unter der Regie von Ulrich Lampen für den Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb) realisiert hat. Denn nicht nur die Zusammenstellung der Texte stammt von Grebe und Kratochwil, auch die Rollen von Hans Fallada und seiner Frau Anna, genannt Suse, haben die Autoren gleich mit übernommen.

Nur halb ironisch hat der 50-jährige Rainald Grebe das dreiteilige Hörspiel, das als sechsteiliger Podcast auch in der ARD-Audiothek steht, gegenüber der „Berliner Zeitung“ (€) als sein „Spätwerk“ bezeichnet. Grebe leidet an einer Autoimmunkrankheit und hat schon sechs Schlaganfälle hinter sich. Eigentlich wollte er sich dem Hörspiel erst widmen, wenn er alt sei, sagte er in demselben Interview. Grebe lebt in Brandenburg unweit des Ortes Carwitz, in dem Hans Fallada lange Jahre gewohnt hat. Das sind hier keine ganz überflüssigen Informationen, denn der neusachliche Autor Rudolf Ditzen, der sich für seine schriftstellerischen Arbeiten den Namen Hans Fallada gegeben hatte, wurde gerade einmal 53 Jahre alt.

Ganz ohne die Romane geht es in dem Hörspiel aber doch nicht. Immer wieder illustriert der Schauspieler Ulrich Noethen mit ein paar literarischen Schnipseln wie sich das Leben von Fallada in seinem Werk spiegelt. Grebe und Kratochwil beginnen ihr akustisches Biopic im Jahr 1928. Da war Fallada, Sohn eines Reichsgerichtsrats, noch ein recht erfolgloser Schriftsteller und Vertreter jener prekären Angestelltenkultur, die er in seinem Romanen beschreiben sollte. In Rückblenden wird sein Leben erzählt, das 1911 mit einem als Duell getarnten Doppelselbstmordversuch schon beinahe wieder geendet hätte – für seinen Kontrahenten endet es tödlich, Ditzen überlebte schwer verletzt.

Für den Ersten Weltkrieg war er dienstuntauglich, in den 1920er Jahren schlug er sich unter anderem als wissenschaftliche Hilfskraft in einer Kartoffelanbaugesellschaft durch. Zur Finanzierung seiner Drogensucht beging er Unterschlagungen und wurde dafür zu Gefängnisstrafen verurteilt. Erst ab 1930 gelang ihm mit den Romanen „Bauern, Bonzen und Bomben“ und „Kleiner Mann – was nun?“ der Durchbruch. Letzterer wurde in viele Sprachen übersetzt und ermöglichte Fallada den Kauf eines Gutshofs im brandenburgischen Dorf Carwitz.

Als „versuchtet“ hat Rainald Grebe seinen Fallada beschrieben – süchtig nach Alkohol, Morphium und Frauen. Doch die ekstatische Seite seiner Süchte kommen im Hörspiel lediglich dann vor, wenn Fallada sich an seiner Arbeit berauscht und er innerhalb weniger Wochen seine Romane aufs Papier wirft – bis zu 600 Druckseiten in 24 Tagen. Der Rest ist Scheitern. Seine Ehe wird 1944 geschieden. Die zweite Ehe mit der ebenfalls drogenabhängigen Ursula (Ulla) Losch funktioniert auch nicht gut und so stirbt Fallada vor 75 Jahren am 5. Februar 1947 in einer Entzugsklinik an einem versehentlich überdosierten Schlafmittel.

Grebe und Kratochwil haben sich auf die in Briefen, Tagebuchnotizen, Berichten von Dienstmädchen und Akten überlieferten Texte konzentriert, aber hinzu kommen noch O-Töne des inzwischen 81-jährigen Sohns Achim, der gerade einmal sieben Jahr alt war, als sein Vater starb. Dennoch ergeben diese insbesondere in der Beschreibung seiner Mutter Anna (Suse), die ihren Mann um 43 Jahre überlebte, eine besondere Note. Leider sind diese O-Töne ziemlich lieblos zwischen die im Duktus meist eher referierend gesprochenen Texte geschnitten.

„Sounds like Hörspiel“, möchte man da sagen, auch weil die Musikakzente von Komponist Steffen Schleiermacher sehr nach traditionellem Hörspiel klingen. Man bleibt so weit hinter den Möglichkeiten des Materials zurück, ebenso wie hinter einer Hörspielästhetik, die, als hybride Form zwischen Dokumentarischem und Erzählerischen changierend, die Brüche der Zeit und die in Ditzen/Falladas Biografie hätte hörbar machen können.

Anders als viele seiner Kollegen blieb Fallada auch während der Nazizeit ein Bestsellerautor. Nach dem Krieg wurde er von der Roten Armee kurz als Bürgermeister von Feldberg eingesetzt, ging nach einem Nervenzusammenbruch nach Berlin und schloss sich auf Initiative von Johannes R. Becher dem „Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ an. Erst jetzt werden ein paar unangenehme Fragen zu seiner Arbeit unter dem Nationalsozialismus gestellt – von der man schon gerne in der zweiten Folge des dreiteiligen Hörspiels gehört hätte.

„Es ist schlimm genug, mit 53 Jahren nicht mehr geworden zu sein als ein schwacher Mann, so wenig aus meinen Fehlern gelernt zu haben“, schreibt Fallada in einem Brief an seine Mutter. Und Johannes R. Becher ergänzt: „Über Fallada müsste man noch viel schreiben, über diesen interessanten, widerspruchsvollen, widerwärtigen, anständigen, lumpigen, treuen und schuftigen Menschen – und einen der besten Dichter unserer Zeit.“ Doch dabei lassen es Grebe und Kratochwil nicht bewenden, sondern hängen überflüssigerweise noch die Schlussszene aus dem Roman „Kleiner Mann – was nun?“ dran. So ist das Hörspiel etwas für Fans von Fallada geworden, die mit ihrem inneren Ohr all das ergänzen, was im Hörspiel fehlt.

Jochen Meißner – KNA, 27.01.2022

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