„Musiksprechen“ mit Michael Lentz, J. A. Riedl, Jennifer Walshe

Musiksprechen

SWR 2 | Sa, 18.10.2014 | 15.05 Uhr
Liveübertragung aus dem Strawinsky-Saal der Donauhallen, Donaueschingen

Josef Anton Riedl
Schweigewatte mit Anspielung
Eine Lautkomposition für drei Sprecher, einen Schlagzeuger und Zuspielung (2014)
Uraufführung
Kompositionsauftrag des SWR
Dauer: ca. 18 Minuten
In Zusammenarbeit mit BR Hörspiel und Medienkunst

Michael Lentz
Hotel zur Ewigen Lampe – operative Vorgänge
Eine Sprechplastik (2014)
Uraufführung
Kompositionsauftrag des SWR
Dauer: ca. 30 Minuten
In Kooperation mit dem Deutschen Literaturinstitut Leipzig

25 Minuten Pause

Jennifer Walshe
The total mountain (2014)
Uraufführung
Kompositionsauftrag des SWR
Dauer: ca. 40 Minuten

Jennifer Walshe, Performance
Herta Müller, Stimme
Michael Lentz, Michael Hirsch, Stimme
Stefan Blum, Schlagzeug
Gunnar Geisse, Live-Elektronik/Laptop: Realtime-Sampling & -Processing, Transphonation, virtuelle Instrumente, Samples, sounddesign
Axel Kühn, Bassklarinette, Sopransaxophon

Studenten des Deutschen Literaturinstituts Leipzig, Sprecherchor: Julian Affeld, Mario Apel, Maja-Maria Becker, Yevgeniy Breyger, Sandra Burkhardt, Felix Dachsel, Gregor Däubler, Jan Drees (Gast), Mariana Grass, Tim Holland, Ulrike Feibig, Hannes Fuhrmann, Christina Hansen, Christian Hoffmann, Jan Hoffmann, Margarita Iov, Irina Karelina (Gast), Synke Köhler, Artur Krutsch, Peter Lünenschloß, Domenico Müllensiefen, Daniel Schmidt, Alexander Schnorbusch, Helen Schröder (Gast), Paula Schweers, Juliane Stadelmann, Manuel Stallbaumer, Isabel Stunder, Sebastian Weihrauch, Juliana Zöllner
Leitung: Uschi Krosch

Michael Lentz: Hotel zur ewigen Lampe – operative Vorgänge
Eine Sprechplastik (2014)

Als „Hotel zur Ewigen Lampe“ bezeichneten ehemalige Gefangene der zentralen Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit in Berlin-Hohenschönhausen den Zellentrakt im Keller des Gefängnisses. In die Zellen drang niemals Tageslicht, dafür aber brannte in ihnen ununterbrochen elektrisches Licht. Verhören und Verhörtwerden, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn, Kommunikation und/als Gewalt, die Macht der Sprache und die Sprache der Macht: Das sind die Themenhorizonte der etwa dreißigminütigen Sprechplastik Hotel zur Ewigen Lampe. Das Stück für einen Sprecher-Chor, zwei Musiker und eine Dirigentin entfaltet seinen Text anagrammatisch aus Zitaten von Erich Mielke, dessen Originalstimme in Wechselrede mit dem Chor tritt. Mit der ars combinatoria des Anagrammierens werden variierte Wiederholungen des „eingespeisten“ Ausgangsmaterials und dementsprechend wandernde Sinnkonfigurationen erzeugt. Die Anagramme, chorisch gesetzt oder in Besetzungen für ein bis sieben Solisten, nehmen Mielkes Aussagen beim Buchstaben und fördern ihre verborgenen, von Mielke sicher nicht intendierten Sinnbezüge zutage. Methodisch freie, thematisch aber gebundene „Dialoge“ als Frage- und Antwortspiele und instrumentale bzw. elektronische Sequenzen bilden die Interludien der anagrammatischen Texturen.

Erich Mielke liebte Jagdlieder, denen er ausdrucksstark seine Stimme lieh. Die anagrammatische Performanz der vertauschenden Bewegung und die Stimmen bewegende Vertauschung ist per se musikalisch. Den Prinzipien des Anagrammierens, Permutierens und Akkumulierens folgen auch die instrumentalen und elektronischen Parts des Stückes. In ihnen werden die vokalen Anteile transphonatorisch verarbeitet, live gesampelt und prozessiert, instrumental begleitet, rhythmisch punktiert, in den Modus „Erkennen-Sie-die-Melodie“ versetzt. Das von Gunnar Geisse für das Stück entwickelte transphonatorische Meta-Instrument übersetzt mit Hilfe spektralanalytischer Information Sprache oder anderes auditives Material in Musik. Es ist in der Lage, in verschiedenste Instrumente und Besetzungen in Echtzeit zu „transphonieren“, wie Geisse es nennt. Mit dem Einsatz dieses Instruments geht für mich ein alter Traum in Erfüllung: Es ermöglicht die rhythmische und melodische Amalgamierung von Musik und Sprache. (Michael Lentz)

 

Michael Lentz Michael Lentzwurde 1964 in Düren geboren und studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie in Aachen und München. 1998 promovierte er mit einer Arbeit über Lautpoesie und -musik nach 1945. Seit 2006 ist er Professor am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Als Schriftsteller und Musiker veröffentlicht er Romane, Erzählungen, Gedichte, Hörspiele, Sprech- und Theaterstücke. Seine Kompositionen wurden bereits bei vielen Festivals uraufgeführt, u.a. bei den Donaueschinger Musiktagen, den Klangaktionen – Neue Musik München sowie bei musica viva in München. Für seine Werke erhielt er zahlreiche Preise und Stipendien wie 1999 den Bayerischen Kunstförderpreis, 1999 das Literaturstipendium des Berliner Senats, 2001 den Ingeborg-Bachmann-Preis und 2005 den Preis der Literaturhäuser. Er lebt und arbeitet in Berlin und Leipzig.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.