Hört sie denselben Sender?

Die kleine Radioschau. 13. bis 19. Juni 2012

Als die Well-Brüder dieses Frühjahr gemeinsam mit Gerhard Polt in Fürth auf der Bühne standen, war das ihr letzter Auftritt unter dem alten Namen Biermösl Blosn. Die einzige echte Folkband Deutschlands sang unter anderem »Welcome to Bavaria«, eine auf die bekannte Melodie von Lord Invaders »Rum and Coca Cola« geschriebene Kritik an der restriktiven Einwanderungspolitik. In der »jodling area« sei jeder willkommen, solange er als Tourist für »mountains, lakes, nice countryside/ and Bavarian G’miatlichkeit« auch zahlen könne. »But if you come from Africa, fuck off from Bavaria«, treffender kann man das doppelgesichtige Bayerntum wohl kaum porträtieren.

Der Song erinnert stark an Woody Guthries »Do Re Mi«. In den Medien wurde die Angst vor den armen Einwanderern aus den damals von Dürre und Wüstenbildung heimgesuchten Bundesstaaten, vor allem Oklahoma, geschürt. »California is a garden of Eden, a paradise to live in or see; / But believe it or not, you won’t find it so hot / If you ain’t got the do re mi.« So faßt die Folklegende Guthrie den seinerzeit vorherrschenden Zynismus zusammen, wobei das do in do re mi für »dough«, also Moneten steht.

»All you can write is what you see« ist die dreistündige »Lange Nacht« am 100. Todestag von Guthrie diesen Samstag überschrieben. Musik als Waffe gegen Faschisten findet man bei ihm etwa in dem Kurzsong »All You Fascists Bound to Lose«. Also, auf jeden Fall die Sendung von Michael Kleff anhören und aufnehmen! Sie läuft Freitag ab Mitternacht auf DKultur und am Samstag abend um 23 Uhr auf DLF.

Vorher kann man heute abend noch (23 Uhr, WDR 3) »erat verbum. John – Hommage an John Cage« von Alvin Curran hören. In diesem Jahr wird sein hundertster Geburts- und zwanzigster Todestag begangen.

»Wie kann es in Buchenwald schön sein?« fragt Gabriele Rabe im gleichnamigen Feature. In unmittelbarer Nähe zur Namensgeberin der Weimarer Klassik liegt das frühere KZ Buchenwald, das heute eine Gedenkstätte beherbergt. Dort gibt es Führungen, bei denen den Schulklassen (die auf Klassenfahrten hier gerne vorbeischauen, um die Subvention von 25 Euro pro Schüler abzugreifen) etwa vermittelt wird, auf »reichsdeutschem« Boden habe es nur Arbeits-, aber »nie Vernichtungslager gegeben«. Die seien nur in den besetzten Gebieten gewesen. Eigentlich unglaublich, paßt aber als Stimme gut in den alten Chor des »Wir haben von nichts gewußt«. Die Autorin fragte in dieser Produktion der Bauhaus Uni Weimar von 2008 Zeitzeugen: »Was haben sie gesehen – und was wollten sie nicht sehen?« (Sa., 18 Uhr, DKultur)

Auf keinen Fall verpassen sollte man schließlich Jörg Fausers »Für eine Mark und acht« (So., 14 Uhr, hr 2). Denn was ist sympathischer als die ehrlichen Trinker, die man in Trinkhallen, an U-Bahnhöfen oder einfach wenn man in den Spiegel schaut, sieht?

Rafik Will, 13.6.2012 junge Welt

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