Hörspiel des Monats September 2019

Baader Panik

von Oliver Kluck
Regie: Leonhard Koppelmann
Komposition: zeitblom
Dramaturgie: Andrea Oetzmann
Produktion: SWR
Länge: 81:19
Erstsendung: SWR 2, 29.09.2019

Die Begründung der Jury

Was passiert eigentlich in Deutschlands ICE-Trieb-Köpfen? Müssen preiswürdige Hörspielmacher dort ihr Dasein fristen, um für außergewöhnliche Produktionen Stoff zu sammeln? Oliver Klucks „Baader Panik“ (SWR 2019) gibt die kompromisslose Antwort: Ja! Kluck, von der Erstausbildung Lokführer, provoziert und irritiert als Hörspiel- und Theatermacher: Wie die ICEs der Deutschen Bahn gefühlt niemals pünktlich sind, verweigert seine Hörgroteske jegliche rationale Einordnung. Er beschießt sprunghaft, situativ, improvisierend, respektlos und beißend sein einstiges Berufsfeld mit skurrilen Metaphern über die Dinge des außerfahrplanmäßigen Lebens, die den absurden Alltag sprichwörtlich auf das Abstellgleis rangieren und die Hörer aus der Bahn werfen – oder besser: aus der Lebensbahn
provozieren!

Gestützt auf einen hohen Anteil an scharfer Satire bis hin zum Absurden, die auch vor Gerhart Hauptmanns tropfender Leiche nicht Halt macht, stehen in „Baader Panik“ keinerlei Signale auf Rot: Nein, freie Fahrt für die unflätige Humoreske bzw. den pubertären Humor. Dieses dreiste Spiel mit der Postdramatik überzeugt genauso wie die heillos verschachtelten Sätze, die etwa das logische Potenzial von Telefonansagen ad absurdum führen – Sequenzen zum Lachen oder zum Fürchten oder gar zum Spaßgruseln? Das Spiel mit den Metaebenen erinnert an das Warten im finsteren Bahntunnel – oder an Platons Höhlengleichnis, lange bevor die Selbstentfesselung beginnt.

Faktenwissen ist absolut überflüssig, die Sammlung hochamüsanter Fake-News schmeckt so süffig wie der überraschend köstliche Milchkaffee im Bordbistro bei leckeren 250 Stundenkilometern. Oliver Klucks „Baader Panik“ ist eine Satire auf höchstem Niveau, die Snobismus mit Borniertheitskritik paart und damit ein Symbol für die Verunsicherung der Postmoderne ist.

Die Sendung wird am 07.12.2019 um 20.05 Uhr im Deutschlandfunk (DLF) wiederholt.

Die Nominierungen

BR, Magdalena Schrefel: Die Bergung der Landschaft
DLF, Barbara te Kock , Philine Velhagen: Fusenbreundinnen
DLF Kultur, Etel Adnan: A Funeral March for the First Cosmonaut
HR, Konstantin Küspert: Sklaven leben
MDR, Andreas Jungwirth: Auf die Natur kann man nicht böse sein
NDR, Katharina Adler: IDA
RB, keine Nominierung
RBB, Bettie I. Alfred: Reisewut
SR, keine Nominierung
SWR, Oliver Kluck: Baader Panik
WDR, Bettina Wilpert: nichts, was uns passiert
ORF, keine Nominierung
SRF, Frieder Butzmann: Galaxis der Liebe

 

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