Hör! Spiel! Festival 2021 in Wien

Das diesjährige Hör! Spiel! Festival nutzt die Gunst der Stunde und konzentriert sich aufs Gespräch im kleinen Kreis. Hörspielschaffende stellen an vier Abenden eine ihnen wichtige »fremde« Hörspielproduktion vor und sprechen über ihre eigene Arbeit. Jeder Abend hat einen eigenen thematischen Schwerpunkt. Außerdem sollen an zwei Sonntagnachmittagen Hörspiele in ganzer Länge zu hören sein. In Verbindung von Hörspielgeschichte und -gegenwart, im Sprechen über Ästhetik, über Methoden der Text- und der Studioarbeit, über Bedingungen der Produktion und Rezeption soll eine Art Mosaik des zeitgenössischen Hörspiels entstehen.
Annalena Stabauer

Die vier Festivalabende werden live gestreamt.
Die Sonntagnachmittage können aus rechtlichen Gründen nicht gestreamt werden und müssen entfallen, sollte keine Publikumspräsenz gestattet sein.

Dienstag, 2.3.21, 19.00 Uhr

Magda Woitzuck über
Die Andouillette
Text: Gion Mathias Cavelty
Regie: Martin Bezzola
SRF 2014

Michael Hammerschmid über
Die Hamletmaschine
Text: Heiner Müller
Regie: Blixa Bargeld, Wolfgang Rindfleisch
Musik: Einstürzende Neubauten
Rundfunk der DDR, Einstürzende Neubauten 1990

20.00 Uhr Hörspiel und das Imaginäre

Michael Hammerschmid und Magda Woitzuck – Gespräch mit Hörbeispielen

Der Ort des Hörspiels sei die Imagination der Hörer*inen. Seit über das Hörspiel nachgedacht wird, hat diese Sichtweise mehrere Variationen erfahren: in der Rede von der »inneren Bühne« (Erwin Wickert), von der »Reise nach innen« (E. Jandl / F. Mayröcker), der Stimme als »körperloser Wesenheit« (Richard Kolb) oder auch im Diktum »Sprich, damit ich dich sehe« (Heinz Schwitzke mit Sokrates) – denn sehen lässt sich im Hörspiel nunmal nur vor dem »inneren Auge«. Auf Produktionsseite scheint sich diese Auffassung in der kontinuierlich großen Zahl an Hörspielen zu spiegeln, die die sinnlich erfahrbare Welt in Richtung Gedanken, psychische Wirklichkeit, Traum, Fantastik oder in die Abstraktion erweitern. Wie denken Hörspielautor*innen mit heutigen Medienerfahrungen über die Beziehung zwischen Hörspiel und Imagination? M. Hammerschmid und M. Woitzuck öffnen in ihren Texten auf je unterschiedliche Weise Imaginationsräume.

Michael Hammerschmid, *1972, Dichter und Autor von u.a. Liedern, Hörspielen, Essays; Lehrbeauftragter am Institut für Sprachkunst, Wien. Zuletzt Josef Guggenmos-Preis 2018; Hörspiele (u.a.): Candide und Belphegor und Die Kapsel, R: G. Fritsch (ORF 2001 u. 2002); Ende gut, alles gut – Kein Hörspiel (ORF 2008).

Magda Woitzuck, *1983 in Wien; Veröffentlichte Erzählungen und einen Roman – Hörspiele (u.a.): Doggod. R: P. Kaizar, P. Scheiner (ORF 2009); Vom Fehlen des Meeres auf dem Lande. R: P. Kaizar (ORF 2013); u.a. Hörspielpreis der ARD.

 

Donnerstag, 4.3.21, 19.00 Uhr

Renate Pittroff über
Verkommenes Ufer
Text: Heiner Müller
Regie: Heiner Goebbels
HR 1984

Friedrich Hahn über
Turm von Babel
Text, Stimme: Gerwalt Brandl
Regie: Heinz Hostnig
NDR/ORF 1979

 

20.00 Uhr Alles ist möglich, alles ist erlaubt?

Friedrich Hahn und Renate Pittroff – Gespräch mit Hörbeispielen

»Hörspiel ist eine offene Form. […] Sie [Auto r*innen, Dramaturg*innen und Regi s seu r*innen] sollten sich stets bewußt sein, daß sie machen können, was sie wollen«. (Helmut Heißenbüttel: Horoskop des Hörspiels, 1968) »So gesehen ist die Geschichte des Hörspiels im Rundfunk die Geschichte eines Abhängigkeitsverhältnisses. « (Klaus Schöning: Hörspiel als verwaltete Kunst, 1970). In diesen etwa zeitgleich formulierten Einschätzungen zeigt sich ein Spannungsfeld, in dem seit mittlerweile fast hundert Jahren Hörspiele geschrieben und produziert werden: Einerseits gibt es bis heute keine normative Formensprache, andererseits ist das Hörspiel der Programmpolitik der Sender unterworfen. F. Hahn hat als Hörspielautor und -regisseur in den 40 Jahren seiner Arbeit für und mit Radio Möglichkeiten und Unmöglichkeiten eines öffentlich-rechtlichen Massenmediums kennengelernt – ebenso wie die Regisseurin und Medienkünstlerin R. Pittroff, die sich in enger Zusammenarbeit mit Autor*innen unkonventionelle Methoden der akustischen Umsetzung erschließt.

Friedrich Hahn, *1952. Romane, Gedichtbände, Essays, Theatertexte, Hörspiele (u. a.): die tage der weißen steine. R: F. Hahn (ORF 1985); drüben im hüben. R: F. Hahn (Autorenproduktion 2019). Hg. von Hörspiel-Themenheften.

Renate Pittroff, *1963; akustische Kunst, experimentelles Theater, Medienkunst; Projekt und Galerie wechselstrom mit C. Theiler. Hörspielregie zuletzt: Das Institut. Text: L. Spalt (ORF 2018); Das Los der Irdischen. Text: J. Schutting (ORF 2020).

 

Dienstag, 9.3.21, 19.00 Uhr

Andreas Jungwirth über
Atlas
Text: Thomas Köck
Regie: Heike Tauch
MDR 2020

Lucas Cejpek über
Preislied
von Paul Wühr
BR/NDR 1971

 

20.00 Uhr Altes Neues Hörspiel?

Lucas Cejpek und Andreas Jungwirth – Gespräch mit Hörbeispielen

Worthörspiel, literarisches Hörspiel, Dialog-Hörspiel, Schallspiel, Neues Hörspiel, O-Ton-Hörspiel, Pop-Hörspiel – wie unterschiedlich Hörspiel in seiner Geschichte geklungen hat, zeigt sich auch an zahlreichen Versuchen, diese Vielfalt begrifflich abzubilden. Dabei war kaum ein anderer Begriff so polemisch gemeint wie jener des Neuen Hörspiels, das ab Mitte der 60er Jahre antrat, das als ästhetisch unzeitgemäß und politisch restaurativ empfundene wortorientierte Hörspiel abzulösen. Ablöse gab es letztlich keine: Das Hörspielschaffen heute ist durch ein gleichberechtigtes Neben- und Ineinander verschiedenster Formen und künstlerischer Interessen geprägt. Lassen sich dennoch Tendenzen heraushören? Wie wirkt sich etwa Digitalisierung ästhetisch auf das Hörspiel aus? Welche Impulse mag es gegenwärtig von Strömungen in anderen Künsten empfangen? L. Cejpek schrieb selbst fürs Hörspiel und hat als Hörspiel- und Theaterregisseur Erfahrung mit den Einflusskräften zwischen den Künsten. A. Jungwirth ist ebenfalls Hörspielautor und -regisseur mit Erfahrungen am Theater und hat zudem durch seine Moderatorentätigkeit ein Ohr in der »freien« Hörspielszene außerhalb der Sender.

Lucas Cejpek, *1956, erste Theaterarbeiten während des Studiums, seit 1983 für das ORF-Radio tätig, u.a.: Sirenen und Sirenen intim (2005); Einsingzimmer (mit A. Schönmüller, 2008); Regie zuletzt: M. Kreidl: Gesellschaft im Kasten (2019). Gesprächsbücher mit dem O-Ton-Pionier Paul Wühr.

Andreas Jungwirth, *1967, u.a. Schauspielstudium, ab 1992 Teil eines Duos für Dada und Neue Musik. 2012–2016 Reihe Hörspielhaus im Schauspielhaus Wien. Hörspiele (u.a.): Alleine bin ich viel. R: H. Krewer (DLR 2011); Döbeln. R: H. Tauch (MDR 2013); Regie zuletzt: T. Arzt: Laute Nächte (ORF 2020).

 

Donnerstag, 11.3.21, 19.00 Uhr

Elisabeth Weilenmann über
Casanova Matador
Text: Petschinka, Rafael Sanchez
Regie: Petschinka
WDR/ORF 2000

Helmut Peschina über
Fünf Mann Menschen
Text: Ernst Jandl, Friederike Mayröcker
Regie: Peter Michel Ladiges
SWF 1968

20.00 Hörspiel als Text

Helmut Peschina und Elisabeth Weilenmann – Gespräch mit Hörbeispielen

Die Hörspielgeschichte begann ohne genuine Hörspieltexte: Grundlage der »Sendespiele« in den 1920er Jahren waren zumeist Theatertexte, die in verteilten Rollen und mit geringem szenischen Aufwand im Studio live interpretiert wurden. Auch als eigens fürs Hörspiel geschrieben wurde, blieben Bearbeitungen von Werken der Literaturgeschichte selbstverständlicher Teil der Programme. Eine neuere Entwicklung ist die starke mediale Präsenz mehrteiliger Adaptionen umfangreicher Prosawerke (etwa von R. Musil, J. Joyce, T. Pynchon), die mitunter bereits von Hörbuch verlagen coproduziert werden. Bei manchen Hörspielschaffenden stehen diese Bearbeitungen im Verdacht, die »Originalhörspiele« schleichend zu verdrängen; bei Hörer*innen erfreuen sie sich großer Beliebtheit. Was spricht, abseits der ökonomischen Seite, für die Bearbeitung von Texten fürs Hörspiel? Und was macht einen Hörspieltext überhaupt aus? H. Peschina hat neben eigenen Hörspiel texten viele Bearbeitungen verfasst und überblickt mehrere Jahrzehnte Hörspielpraxis. E. Weilenmann hat bereits die unterschiedlichsten Rollen und Perspektiven eingenommen: Sie produzierte zunächst (Kurz-) Hörspiele und realisiert heute als Autorin, Regisseurin und Bearbeiterin Hörspiele bei öffentlich-rechtlichen Sendern.

Helmut Peschina, *1943. Theater-, Hörspiel-, Drehbuchautor, Herausgeber. Leitete viele Jahre die Hörspieltage in NÖ. Mehrfach ausgezeichnete Bear beitungen – u.a.: Der Wassermann. Nach dem Hörspielfragment v. M. Haushofer (2000); H. Lebert: Die Wolfshaut (2004); mehrfach Werke von J. Roth. Zuletzt: Antigone. A Poem. Nach Sophokles. R: E. Weilenmann (ORF 2020).

Elisabeth Weilenmann (ehem. Putz), *1982, Autorin, Regisseurin, Journalistin.Hörspielregie zuletzt u.a.: G. Kögl: Höllenkinder (Prix Europa, ORF 2018). Als Autorin Elodie Pascal u.a.: Mein Körper ist ein Schlachtfeld (ORF 2008); 243 Tage (SRF 2013).

 

 


Hoer!SpielFestival 2021 Wien 2

Sonntag, 28.2.21 Vorspiel

14.00 Uhr
Michael Hammerschmid: Weißer Mund
Regie: Götz Fritsch
ORF 2003, 41 Min.

15.00 Uhr
Magda Woitzuck: Die Schuhe der Braut
Regie: Philip Scheiner, Peter Kaizar
ORF 2017, 44 Min.

16.00 Uhr
Friedrich Hahn: Der Punkt und die 88 Tasten
Regie: Beate Andres
DLR 2000, 40 Min.

17.00 Uhr
Peter Pessl: und doch nahe genug kein Wort
Regie: Renate Pittroff
ORF 2001, 29 Min.

Sonntag, 7.3.21 Vorspiel

14.00 Uhr
Andreas Jungwirth: Madonnenterror
Regie: Nikolaus Scholz
ORF 1997, 59 Min.

15.15 Uhr
Margret Kreidl: Kinderspiel
Regie: Lucas Cejpek
ORF 2007, 25 Min.

16.00 Uhr
Elodie Pascal: La vie en vogue
Regie: Elisabeth Weilenmann
DLR 2013, 55 Min.

17.15 Uhr
Helmut Peschina: Gemeinsames Etwas
Regie: Robert Matejka
ORF/DLR 1997, 44 Min.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.