Hörspiel des Monats Mai 2018

We love Israel

Ein Serial in 7 Folgen oder 2 Teilen

von Noam Brusilovsky und Ofer Waldman
Regie: Noam Brusilovsky
Komposition: Tobias Purfürst / Yair Elazar Glotman
Redaktion und Dramaturgie: Manfred Hess
Produktion: SWR
Erstsendung SWR 2, Teil 1 (Folge I – IV), 17.5.2018, Teil 2 (Folge V – VII), 24.5.2018
Länge: 53:08 / 53:22

Die Begründung der Jury

In smarter Gestaltungsökonomie kommen die beiden in Israel geborenen Autoren Noam Brusilovsky und Ofer Waldman in „We love Israel“ umgehend zur Sache: Auf die Frage einer geschauspielerten Beamtin der Passkontrolle, warum sie nach Israel fliegen wollen, antworten echte deutsche Passiere, darunter ein Pfarrer und ein Generalleutnant der Bundeswehr a.D., im Originalton. Damit ist klar, dass in diesem Podcast-Serial die beiden Ebenen von Fiktionalem und Dokumentarischem intensiv ineinander geblendet und nicht nur Staatsgrenzen reflektiert werden. Als HörerInnen sind wir bereits auf den nachfolgenden Dialog im Regiestudio eingestimmt, wo ein Autor den anderen bittet, ‚podcast‘ zu definieren: „So eine moderne Online Geschichte, irgendwas zwischen Feature und Hörspiel. Komisches Wort, aber bitte, hier spreche ich also ein podcast.“ So spielerisch-offen wie diese
Erläuterung ist auch die Form der Serie „We love Israel“, in der es aus Anlass des 70. Jahrestages des britischen Mandatsendes über Palästina und der Gründung des Staates Israel, um die zentrale Frage geht, wie sich die Liebe von Deutschen zu Israel und die von Israelis zu den Deutschen darstellen kann. Da werden in sieben kurzen Folgen so schwergewichtige Themen wie Schuld und Sühne erfrischend respektlos und zugleich gedankenreich behandelt.

In der zweiten Episode beispielweise steht die Erinnerungskultur von Via Dolorosa und Yad Vashem im Fokus, und das Geschäft mit Tränen ist ein Aspekt dabei: „Ich wasche meine Hände in deutschen Tränen“, sagt ein Reiseführer, „alles vermischt sich, Opfertränen, Tätertränen … Danach gibt es einen freien Tag, shoppen und so.“ Am Schwulenstrand von Tel Aviv hingegen geht es urkomisch um Sprache (bedeutet der Name Feigele wirklich Vögelchen oder leitet er sich von fabulous oder faggot ab?) und die deutsche Sehnsucht nach dunkelhaarig und muskelbepackt statt blond und schmal. Unter rasanten Perspektivewechseln und im Durcheinandergehen von Spiel- und Bedeutungsebenen wird klar, dass die ‚Liebe‘ zu Israel sehr unterschiedliche Formen annimmt. Und dass Liebe natürlich Kritik am repressiven Gebaren des Staates einschließt. Zugleich gelingt es den Autoren sehr plastisch zu zeigen (und nicht bloß zu behaupten und zu beurteilen), wie Missbilligung mitunter in antisemitische Ressentiments umkippt, die sich als Israelkritik versucht, politisch zu maskieren. „We love Israel“ beweist, dass sich Hörspiel ohne zu moralisieren, auf mutige experimentelle und unterhaltsame Weise auf ein schwieriges Thema einlassen kann.

Die Jury spricht eine lobende Erwähnung im Sinne eines zweiten Preises aus für das Hörspiel „Die Maschine steht still“ (nach der gleichnamigen Erzählung von Edward Morgen Forster; Übersetzung: Gregor Runge; Bearbeitung: Felix Kubin; Produktion: NDR). Sie würdigt die Wiederentdeckung eines visionären Textes, der vor 100 Jahre geschrieben, im Studio musikalisch und spannungsreich inszeniert und von Susanne Sachsse facettenreich gesprochen wurde, und der in seiner soziologischen und psychologischen Vorhersage fast unheimlich nah an die heutige Wirklichkeit heranrückt.

Das Hörspiel wird am Samstag, den 1. September 2018 im Deutschlandfunk (DLF) wiederholt.

Die Nominierungen

BR, Paul Scheerbart: Perpetuum Mobile (Bearbeitung: wittmann/zeitblom)
DLF Kultur, Valère Novarina: Insekten und Einhörner
HR, Max Frisch: Homo Faber
MDR, Thilo Reffert: Auf die Fresse
NDR, Edward Morgan Forster: Die Maschine steht still (Bearbeitung: Felix Kubin)
RB, keine Nominierung
RBB, Gesine Schmidt: Begehren
SR, keine Nominierung
SWR, Noam Brusilovsky und Ofer Waldman: We love Israel
WDR, Lucas Derycke: Esperanto

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