Hörspiel des Monats Februar 2020

DIE WEITE WEITE SOFALANDSCHAFT

von Malte Abraham

Regie: Malte Abraham
Komposition: Sebastian Jurchen
Redaktion: Barbara Gerland
Produktion: DLF Kultur
Länge: 56:00 Min.
Erstsendung: DLF Kultur, 05.02.2020, 22.04 Uhr

Die Begründung der Jury

„ich habe beim duschen daran gedacht, was zwischen mir und der arbeit liegt, wenn zwischen mir und der arbeit kein weg liegt. ich habe lange nachgedacht. ich habe an nichts gedacht. ich habe an das nichts gedacht, das zwischen mir und der arbeit liegt.“

Die Protagonist*innen im Hörspiel „Die weite weite Sofalandschaft“ von Malte Abraham bewegen sich zwischen Arbeit und Urlaub, wobei ersteres den einzigen Lebensinhalt und Lebenszweck darstellt. Der Ort der Arbeit ist sowohl das Büro als auch das zum „Homeoffice“ umfunktionierte Zuhause. Hierbei verschwimmen zunehmend die Grenzen zwischen privatem und beruflichem Raum wie auch privater und beruflicher Identität, so dass diese letztendlich nicht mehr zu unterscheiden sind und der Protagonist Arno Zilla die Badewanne als seinen letzten privaten Rückzugsort wählt. Seit zwei Wochen liegt er darin, weil hinter der Badezimmertür das Homeoffice lauert.

„von der entgrenzten arbeit in den grenzenlosen urlaub“

Ebenso dystopisch und identitätslos wie der Arbeitsplatz ist auch der Urlaubsort, der weder Stadt noch Land, sondern lediglich ideal temperierte Erholungskulisse mit konstanter und reservierungspflichtiger Meeres-Brandung ist. Kein Wunder also, dass da der patente Geschäftsmann Tom Tropick den Urlaubsort inklusive Sandstrands, Pazifischem Ozean und konstantem Klima einfach mal in eine große Halle verlagert. Dass es sich bei dieser Halle um das ehemalige Büro des insolvent gegangenen TROPICK Reisebüros handelt und draußen auf dem Meer die ehemaligen Angestellten an Schreibtischplatten geklammert ertrinken, ist nur eine von vielen absurden Details dieser literarisch wie dramaturgisch hervorragend komponierten Radio-Groteske.

Was wie ein abstruser Alptraum anmutet, ist unserer Realität so nah, dass sich beim Hören ein zunehmendes Unbehagen einstellt. Indem die Protagonist*innen des Hörspiels vorführen, wie egozentrisch und zugleich gefangen das westliche Individuum ist, schafft „Die weite weite Sofalandschaft“ ein Plädoyer gegen unser kapitalistisches Wirtschafts- und Wertesystem, das Sinnhaftigkeit und Anerkennung einzig an Erwerbsarbeit koppelt. Auf subtile Weise stellt das Hörspiel dabei einen überraschenden und erhellenden Zusammenhang mit der Klimakrise her: Je überarbeiteter die Gesellschaft, desto dringender ihr Bedürfnis, durch möglichst weite Flugreisen wenigstens kurz der entgrenzten Arbeit zu entgehen.

Das Hörspiel „Die weite weite Sofalandschaft“ öffnet hierbei Räume, die nur innerhalb der Gattung erzeugt werden können – etwa, wenn das Rauschen in der Telefonleitung plötzlich das Rauschen des Ozeans wird – und schöpft so gekonnt die Potenziale der Gattung Hörspiel aus. Das gilt für die Telefonwarteschleife, in der sich die Zuhörer*innen selbst befinden, ebenso wie für den leitmotivischen Einsatz verschiedenartigster Wassergeräusche.

„wenn das die zukunft ist, werde ich mir sagen, dann will ich daran nicht teilnehmen.“

In der Gegenwart des Februar 2020 jedoch trägt „Die weite weite Sofalandschaft“ auf hohem literarischem und klangdramaturgischem Niveau einen Beitrag dazu, dass diese Zukunft nicht eintritt. Deshalb spricht ihm die Jury den Titel des Hörspiels des Monats Februar 2020 zu.

Die Sendung wird am 02.05.2020 um 20.05 Uhr im Deutschlandfunk (DLF) wiederholt.

Die Nominierungen

BR, Norbert Lang: How dare you. Echo einer Rede
DLF, Merzouga: The Language of Light – Music to the Work of Sean Scully
DLF Kultur, Malte Abraham: Die weite weite Sofalandschaft
HR, Robert Schoen: Entgrenzgänger
MDR, keine Nominierung
NDR, Stefan Panhans: Hostel
RB, Christine Wunnicke: Alles Tatam
RBB, Bernhard Studlar: Die Ermüdeten
SR, keine Nominierung
SWR, Werner Cee: When Weather was Wildlife
WDR, Calle Fuhr: In die Sterne
ORF, keine Nominierung
SRF, Brigit Kempker: Holidays from Suicide. Hören im Zwischenzustand

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